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„Hoodie Birds“ am Mehringplatz in Berlin-Kreuzberg.

© Kitty Kleist Heinrich/Tagesspiegel

Kolumne Berliner Trüffel (20): Frei wie ein Vogel

Am Mehringplatz prangt ein Mural: Ein körperloser, schwarzer Hoodie, aus der heruntergezogenen Kapuze entkommen bunte Vögel. Sie bluten, aber das war nicht immer so.

Eine Kolumne von Sabrina Patsch

Der schwarze Hoodie ist ein Symbol. Er ist laut, er ist unzufrieden, und manchmal tummelt er sich mit seinesgleichen in einem schwarzen Block. Weil er dabei meist nicht erkannt werden will, wählt er diese düstere Uniform.

Das Mural des schwarzen Hoodies vom dänischen Künstler Don John am Mehringplatz scheint diese Identitätslosigkeit aufzugreifen: Die Kapuze ist tief heruntergezogen, doch sie ist leer. Stattdessen fliegen knapp zwanzig bunte Vögelchen daraus hervor. Ein Appell an die Redefreiheit? Gewaltfreie Demonstrationen? Die Bedeutung des Träumens?

Was es auch sein mag, es geht schief. Die Vögel sind in rote Spritzer getaucht, fast als durchflögen sie blutgetränkte Wolken. Sie beschwören das Bild: Lass es bleiben, Ausbruch ist zum Scheitern verurteilt.

Das Interessante an diesem Graffiti ist: Die Farbspritzer sind kein Teil des Wandbilds. Das Mural enstand 2014 im Rahmen des Projekts „One Wall“ der Streetart-Initiative Urban Nation, die jedes Jahr internationale Künstler:innen nach Berlin einlädt, um mit ihren Bildern die Stadt zu verschönern. Erst nach Fertigstellung warf eine unbekannte Person rote Farbbeutel auf das Gemälde.

Auch das gegenüberliegende Mural „Make Art Not War“ von Shepard Fairey entstand als Teil des „One Wall“ Projekts, nur wenige Monate nach Johns „Hoodie Birds“. Fairey wurde mit seinem „Hope“-Plakat von Barack Obama weltberühmt.

Ob Don John wirklich auf den schwarzen Block oder Redefreiheit anspielen wollte, ist nicht bekannt. In vielen seiner Werke beschäftigt er sich mit Transformation. Er kombiniert, was nicht zusammengehört, und schafft Kunstwerke, die einem Traum entsprungen zu sein scheinen. Damit will er nach eigener Aussage die Gedanken und Gefühle der Betrachter:innen stimulieren.

Nicht selten kontrastiert er die Schattenseiten der Menschheit mit der Unschuld der Tierwelt. In diesem Fall hat der Vandalismus seinem Bild sogar noch eine dritte Ebene hinzugefügt: Ausbruch zwecklos, der Schatten holt dich wieder ein.

Immer sonntags stellt die Serie „Berliner Trüffel“ Kunstwerke des öffentlichen Raums vor.

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