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Waleed (Amer Hlehel) und Jalal (Ashraf Farah) in „Mediterranean Fever“ von Maha Haj

© Pallas Film

„Mediterranean Fever“ im Kino: Die arabisch-israelische Identität steckt voller Widersprüche

„Mediterranean Fever“ beleuchtet das Verhältnis zwischen jüdischen und palästinensischen Israelis. Regisseurin Maha Haj provoziert gelegentlich aber auch mit gedankenlosen Aussagen.

Von Fabian Spengler

„Die Regisseurin ist aus Haifa, der Film repräsentiert Palästina bei den Oscars.“ So betitelte die große israelische Tageszeitung „Jedi’ot Acharonot“ im September vergangenen Jahres einen Artikel über „Mediterranean Fever“. Fragen israelisch-palästinensischer Identität bilden den roten Faden dieses großartigen Films – und der Debatten, die ihn umgeben. Denn die in Israel geborene palästinensische Regisseurin Maha Haj macht immer wieder auch mit provokanten Aussagen auf das Leid der Palästinenser aufmerksam.

Depression durch Machtlosigkeit

Hauptfigur in „Mediterranean Fever“ ist Waleed (Amer Hlehel). Er will Schriftsteller werden, bringt aber aufgrund einer Depression kein Wort zu Papier. Der Ursprung seines Zustands liegt in identitärer Machtlosigkeit. Waleed fühlt, wie die palästinensische Geschichte verloren geht, ohne dass er es verhindern kann. Mit seinem Nachbarn Jalal (Ashraf Farah) streitet er darüber, ob eine Straße in Haifa den alten arabischen Namen Al-Dschabal (Der Berg) tragen sollte oder den neuen hebräischen Namen Ha-Zionut (Der Zionismus).

Der Geografie-Lehrerin seines Sohnes will Waleed erklären, dass Jerusalem die Hauptstadt Palästinas und nicht Israels sei. Als eine israelische Ärztin ihn nach seiner Religion fragt, antwortet er „Palästinenser.“ Im Fernsehen verfolgt Waleed den ganzen Tag Berichte über israelische Angriffe auf Gaza.

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Damit greift die Regisseurin Themen auf, die den israelisch-palästinensischen Konflikt zwar schon seit Jahrzehnten dominieren, die seit den Ausschreitungen in Mai 2021 zwischen arabischen und jüdischen Israelis aber wieder besonders relevant geworden sind. Den Umgang mit palästinensischer Geschichte in Israel; das Gefühl der Palästinenser, Bürger zweiter Klasse zu sein; und das Streben nach einem eigenen Staat, während Israel sein Besatzungsregime im Westjordanland ausbaut. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Auch abseits der Leinwand thematisiert Haj diese Probleme immer wieder und macht dabei Äußerungen, die mitunter Grenzen überschreiten. Im Abspann des Films etwa wird Israel als Produktionsland gar nicht erwähnt, obwohl dort teilweise sogar gedreht wurde. Stattdessen steht in den Credits Palästina. Als Haj bei den Filmfestspielen in Cannes in der Sektion Un Certain Regard für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde, widmete sie den Preis der vermeintlich von israelischen Soldaten in Jenin im Westjordanland erschossenen palästinensischen Journalistin Shireen Abu Akleh.

Und als Haj „Mediterranean Fever“ Anfang Mai auf dem Arabischen Film Festival in Berlin vorstellte, sprach sie unzweideutig von ganz Israel als einem besetzten Gebiet. Damit griff sie den Diskurs von Antisemiten auf, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Von Teilen des Publikums bekam sie dafür Applaus.

Deutsche Fördergelder für antisemitischen Film?

Problematisch sind solche Aussagen gerade auch für die deutsche Öffentlichkeit, weil „Mediterranean Fever“ von der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM) – und damit aus deutschen öffentlichen Mitteln – mit 200.000 Euro finanziert wurde. Haben deutsche Steuerzahler also einen Film gefördert, der das Existenzrecht Israels infrage stellt und antisemitische Propaganda verbreitet? Man könnte das durchaus so sehen.

Die MDM schreibt auf Anfrage, dass man alle Förderrichtlinien eingehalten habe. Bei der Vorstellung in Berlin sei kein Vertreter der MDM zugegen gewesen. Daher könne man Hajs Aussagen nicht kommentieren. Gespräche, die der Tagesspiegel mit Haj und Martin Hampel, dem Produzenten von „Mediterranean Fever“, geführt hat, entkräften zumindest den Eindruck, dass sie antisemitische Absichten hegen oder gar Israels Existenz nicht anerkennen.

Friedliches Abendessen. Eine Szene aus „Mediterranean Fever“.
Friedliches Abendessen. Eine Szene aus „Mediterranean Fever“.

© Pallas Film

Die Regisseurin sagt, sie habe den Begriff Besatzung gewählt, da Israel seit seiner Unabhängigkeit eben das gesamte ehemalige Gebiet Palästina besetzt habe. Sie erkenne jedoch den Staat Israel an und halte heute nur das Westjordanland für besetzt sowie den Gaza-Streifen für blockiert. Sie wisse nicht, dass der Begriff Besatzung im Zusammenhang mit Israel problematisch sei.

Palästinensischer Oscar-Film

Hampel erklärte, dass der Film gemeinsam von Deutschland, Frankreich, Zypern und Palästina finanziert und produziert wurde. Daher stünden diese Länder im Abspann, auch wenn Palästina kein international anerkannter Staat, sondern ein umstrittenes Gebiet ist. Die finanzielle Zuwendung Palästinas habe darin gelegen, erläutert der Produzent, dass Haj und der ebenfalls in Haifa wohnende Co-Produzent Baher Aghbariya den Film mit privaten Mitteln unterstützt hätten. Aghbariyas Produktionsfirma Majdal Films hat eine Telefonnummer mit israelischer Vorwahl. Das weckt zumindest Zweifel daran, dass das Geld aus dem Gebiet Palästina kam.

Hampel führt seine Erklärung aber noch weiter aus. Es werde immer schwieriger, Filme in arabischen Ländern zu vermarkten, wenn Israel als Produktionsland angegeben ist. Es stimmt, dass Hajs Regiedebüt „Personal Affairs“ zum Beispiel von einem libanesischen Festival wieder ausgeladen wurde, da der Film mit israelischen Geldern finanziert worden war. Dafür konnte „Mediterranean Fever“ nun bei den Oscars sogar als palästinensischer Beitrag eingereicht werden.

In israelischen Medien, in denen Debatten über israelische und palästinensische Identität täglich stattfinden, sorgt Hajs Haltung kaum für Aufsehen. „Jedi’ot Acharonot“ und die liberale Tageszeitung „Haaretz“ erwähnen ihre Aussagen zwar, problematisieren diese aber nur am Rande.

Vielmehr loben sie Haj als eine der wichtigsten palästinensischen Filmemacherinnen und konzentrieren sich auf die Themen ihres Films: fragile Männlichkeit, den Umgang mit Depressionen, modernen Geschlechterrollen und wie diese Aspekte die zeitgenössische Identität palästinensischer Israelis formen. In Israel orientiert sich die Kritik an der Regierungspolitik heute stärker an gegenwärtigen Entwicklungen. Von Deutschland aus ist es aus guten, historischen Gründen aber immer noch ratsam, genauer hinzusehen. 

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