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Eine Szene aus „Charlie und die Schokoladenfabrik“.

© Foto: imago images / United Archives/ KPA

Wörter aus Kinderbüchern von Roald Dahl gestrichen: Es geht um eine knallharte Marketingstrategie

Der Verlag des britischen Autors Dahl hat Passagen seines Werkes überarbeitet. Dahinter steht ein „Sensitivity Reading“ – aber letztlich geht es auch um die Interessen des Konzerns.

Ein Kommentar von Katrin Sohns

In diesen Tagen meldete der Verlag Puffin Books, eine Abteilung von Penguin Random House, dass mindestens zehn der neunzehn Werke des britischen Autors Roald Dahl nach Beratung von sogenannten „Sensitivity Readers“ überarbeitet wurden. Betroffen sind vor allem die drei weltbekannten Werke „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Matilda“ und „Hexen hexen“.

Die Praxis ist nicht neu. Immer mehr Verlage entscheiden sich in Großbritannien für die Kooperation mit externen Beratern, die Texte auf verletzende oder missverständliche Darstellungen oder Formulierungen überprüfen.

Auch die Begründung des Verlages liest sich lapidar: Sehgewohnheiten und Geschmäcker ändern sich. In diesem Sinne habe man den Text nun leicht angepasst.

Streichung der Wörter „fett“ und „hässlich“, Ergänzung um geschlechtsneutrale Begriffe

Laut der britischen Zeitung „The Telegraph“ sind es Hunderte von Änderungen. Vor allem betroffen sind Passagen, die sich auf Gewicht, psychische Gesundheit, Geschlecht und ethnische Abstammung beziehen. So wurden beispielsweise alle Verweise auf die Wörter „fett“ und „hässlich“ gestrichen.

Zudem sind mitunter geschlechtsneutrale Begriffe hinzugefügt worden. Aber es gibt auch drastischere Eingriffe. Ein Absatz über die Glatze der Hexen, die sie mit Perücken verbergen, erklärt, nun, dass es viele Gründe gäbe, warum Frauen Perücken tragen, und dass daran auch nichts auszusetzen zu sei.

Kritik von Salman Rushdie

Der Aufschrei ist groß. Neben PEN America und dem britischen Premierminister Rishi Sunak äußerte sich auch Salman Rushdie wütend auf Twitter: „Roald Dahl war kein Engel, aber das ist absurde Zensur. Puffin Books und der Dahl-Nachlass sollten sich schämen.“

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Nachdem sich die britische Komikerin Abi Roberts kritisch zu Rushdies Tweet geäußert hatte, stellte der indisch-britische Schriftsteller wiederum klar, dass er zwar das Werk Dahls gegen eine „kriecherische Befindlichkeitspolizei“ verteidige, Dahl selbst aber ein „bekennender Antisemit mit ausgeprägten rassistischen Tendenzen“ gewesen sei.

Textglättungen bei Dahl als knallharte Marketingstrategie

Die Person Roald Dahl macht eine Verteidigung nicht leicht. Er hat sich wiederholt rassistisch geäußert, sogar öffentlich zum Antisemitismus bekannt. Aber das künstlerische Schaffen von Dahl verdient eine Verteidigung. Denn es geht hier um nicht weniger als die Essenz seines künstlerischen Schaffens: die eigene, unverwechselbare Sprache, seine Übertreibungen, sein diabolisches Spiel mit der magischen Welt.

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So „dezent“ die Anpassungen im Text in dieser Runde noch sein mögen, so sehr wird die Welt rückwirkend geglättet, wie sie uns aktuell verdaulich erscheint.

Dahinter steht eine knallharte Marketingstrategie: Dahl starb 1990. Eine Überprüfung der Werke des Autors begann im Jahr 2020, bevor Netflix die Roald Dahl Story Company erwarb, die wiederum die Urheberrechte und Marken des Autors verwaltet.

Dahls Sprache zu glätten, sie an die Mode der Zeit anzupassen, um ihn besser vermarkten zu können, ist also im Interesse des Konzerns. Es ist aber nicht im Interesse des Autors oder seines Werks.

Eine entsprechende Übermalung bei unliebsamen oder kontroversen Szenen auf Gemälden ist noch undenkbar. Die Entscheidung, ob ein literarisches Werk aus der Zeit gefallen ist oder noch zu uns will, sollte bei den Leserinnen und Lesern liegen. Sie sollten die Instanz sein, die über dessen Relevanz und Qualität entscheiden, nicht die Konzerne.

+++

Anmerkung der Redaktion: In der Originalversion des Textes wurde das englische Wort „race“ fehlerhaft übersetzt. Die Autorin hat dies durch das Wort „ethnische Abstammung“ ersetzt.

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