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Esst mehr Obst. David Bielanders Halschmuck „Banana“ von 2010 besteht aus Silber und Leder.

© René Arnold, digital imaging: Wolfram Otto

Schmuck und Mode im Bröhan-Museum: Hauptsache Hingucker

Anziehen und Eindruck machen: Die Berliner Ausstellung „Jewellery & Garment“ zeigt Autorenschmuck und ausgewählte Vintage-Kleider.

Autorenfilme, klar, die sind ein Begriff. Sie bezeichnen Filme, bei denen der Regisseur – und Autor – alle künstlerischen Aspekte bestimmt. Ähnlich verhält es sich auch beim Autorenschmuck, einer viel unbekannteren Bewegung, die seit den sechziger Jahren Goldschmiede, Künstlerinnen und Designer verbindet, die Halsketten, Armbänder, Broschen und Ringe nicht nur als funktionalen Zierrat, sondern als Kunstwerke auffassen.

Solche Einzelstücke und Kleinserien internationaler Schmuckkünstlerinnen, die weniger zum Geburtstag verschenkt, als von Sammlern und Museen gekauft werden, zeigt jetzt das Bröhan-Museum. In der Ausstellung „Jewellery & Garment“, die ursprünglich für das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main konzipiert wurde.

Modeschöpfer kennt man, die Schmuckgestalterinnen nicht

Die trotz der Verwandtschaft der Schwesterdisziplinen unübliche Idee: Arbeiten von zehn Schmuckmachern werden ausgewählte Vintage-Teile von zehn Modeschöpferinnen gegenübergestellt. Deren Namen, darunter Yohji Yamamoto, Jean Paul Gaultier, Helmut Lang, Dries van Noten, klingen ungleich geläufiger als die von Schmuckkünstlerinnen wie Svenja John, Karl Fritsch, Petra Zimmermann oder David Bielander.

Trotzdem wird gleich im Auftaktraum, in dem eine geballte Ladung Broschen auf Kleider und Jacken gesteckt ist, klar, dass der Schmuck in der musealen Präsentation den Textilien deutlich überlegen ist. Manche der modernen Kleidungsklassiker aus Privatsammlungen sehen an den Schneiderpuppen schlicht nach Humana-Couture aus.

Nur die Abendkleider halten mit den Schauwerten der Schmuckstücke mit. Dass letztere wie Ostereier in den Räumen und Vitrinen der ständigen Ausstellung „Jugendstil und Art Deco“ auffindbar sind, ist tatsächlich die viel bessere Gegenüberstellung.

Aus einem Block. Yutaka Minegishis Bernstein-Ring von 2018.
Aus einem Block. Yutaka Minegishis Bernstein-Ring von 2018.

© Petra Zimmermann

Da finden sich in einer Vitrine, die messingblitzende Teemaschinen der Jahrhundertwende zeigt, plötzlich die ebenfalls mit geometrischen Formen arbeitenden „Colliers“ der Berliner Schmuckkünstlerin Svenja John. Ihre Halsgebinde und Broschen, die prachtvollen Renaissanceschmuck zitieren, sind aufwendig gefertigt – aber gerade nicht aus traditionellen Edelmetallen, sondern aus Kunststoff.

[Bröhan-Museum, Schlossstr. 1a, Charlottenburg, bis 15. 1. 23, Di-So 10-18 Uhr]

David Bielander fertigt sein ironisches „Banana“, als naturalistische Version der bei Andy Warhol und anderen Popkultur-Propheten beliebten Frucht als Halsgehänge aus Silber in einer Lederschale. Schade, dass sie nicht im „Vogelgehege“, also der Vitrine mit Porzellan-Papageien und -Kakadus der Jahrhundertwende baumelt, die im nächsten Raum steht. Die hätten sicher Appetit darauf.

Tragbarkeit ist ein nachgeordnetes Kriterium

Bielanders lila „Python“ aus Silber und Titan, die sich dort apart am Boden ringelt, legt sich als Halsschmuck wie eine ausladende Boa aus Metallplättchen um den Hals ihrer Träger. Dass so ein Stück nur als Schmuck für potentielle Paradiesvögel taugt, lässt sich auf viele der gezeigten übertragen; auch auf die üppig mit Edelsteinen besetzten Ringe von Karl Fritsch, die wie Bäumchen über dem Handrücken schweben. Tragbarkeit ist ein nachgeordnetes Kriterium beim Autorenschmuck.

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Allerdings: Der an einen Autoreifen erinnernde Kunststoff-Armschmuck und die skulpturalen Ringe, die sich zu den puristisch- weißen Möbeln in dem Raum gesellen, der dem Minimalismus gewidmet ist, scheinen haargenau demselben Geist zu entstammen, auch wenn die jeweiligen Designer hundert Jahre trennen.

Sie sind so tragbar wie die Ringe des in München lebenden japanischen Gestalters und Goldschmieds Yutaka Minegishi. Er fertigt seine Arbeiten in einem „nicht aufbauenden, sondern reduzierenden Prozess“ aus einem einzigen Block, häufig aus Bernstein. Das Ergebnis sind spannungsvollen Skulpturen ohne Titel. Anders als der Halsschmuck „Vögel im Winter“ von Dorothea Prühl.

Die emeritierte Professorin der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein hat konische Körper aus Kirschholz geschnitzt, sie grob abgeflacht und aneinander gefädelt. Die „Kette“ ist ein tolles Teil, dass den Werkstoff Holz nach guter Bildhauerart lebendig werden lässt. Schön anzuschauen, aber schwer umzubinden.

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