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Regisseur Lothar Lambert, geboren am 24. Juli 1944.

© Jan Gympel

Unerschrocken und trashbereit: Filmemacher Lothar Lambert wird auf der Berlinale für sein queeres Lebenswerk ausgezeichnet

40 Filme hat No-Budget-Regisseur Lothar Lambert seit 1971 gedreht, 17 liefen auf der Berlinale. Nun erhält der queere Chronist des alten West-Berlin den Ehren-Teddy des Filmfestivals.

Lothar Lambert ist einer der letzten Briefeschreiber. Inzwischen kommen die mit lustigen Postkarten und Infos zu neuen Lambert-Aktivitäten gefüllten Umschläge seltener in der Redaktionspost an. Kunststück, Lothar Lambert wird am 24. Juli 80 Jahre alt. Aber sie kommen weiterhin. Auch wenn Lamberts nun wirklich allerletzter Film seit Pandemieende auf Vollendung harrt.

Lambert, der sich tagsüber gern in Schöneberger Cafés mit Zeitungsauswahl an einer Tasse Kaffee festhält, ist weiterhin mit der Pflege des eigenen Denkmals beschäftigt. Für Juli und August ist bereits eine Geburtstagsretrospektive mit seinen Filmen und denen seiner Mitstreiterin Dagmar Beiersdorf in den Kinos Acud, Brotfabrik, Bundesplatz und Klick angekündigt. Höchste Zeit, dass der queere Chronist des alten West-Berlin nun am Freitag in der Volksbühne den Ehren-Teddy für seine filmischen Verdienste erhält.

„Ich war mal schwul, jetzt bin ich asexuell“, hat Lothar Lambert frank und frei anlässlich seines 70. Geburtstag erzählt. Der fragile alte Herr mit Stock hatte immer zwei Seelen in seiner Brust: die ausgeflippte Dragqueen und den diskreten Sparkassenberater.

Geld hat der Regisseur nie gemacht, Filmkunst nie angestrebt. „Bei mir von Kunst zu reden, ist eh absurd.“ In seinen mit Avanti-Dilettanti-Power umgesetzten Werken wie „Die Alptraumfrau“ und „Fucking City“ hagelt es Nacktheit, Intimität, Fummel, Rassismus, Drogen, Lebensdramen und ganz viel Berlin. In der Liebestragödie „Fucking City“ ist es die Gegend rund um den ehemaligen Türkischen Basar im U-Bahnhof Bülowbogen.

40 Filme hat der No-Budget-Regisseur seit 1971 fabriziert und an die 2000 farbenfrohe Ölgemälde gepinselt. 17 seiner Filme waren auf der Berlinale zu sehen. Einer, das in grobkörnigem Schwarzweiß gedrehte Rassismusdrama „1 Berlin-Harlem“, ist im New Yorker MoMA archiviert.

Bei Lothar Lambert spielten alle: Ingrid Caven, Klaus Nomi, Jim Jarmusch, Norman Jewison, Rainer Werner Fassbinder und Brigitte Mira. Und natürlich Lamberts eigene Laienspieltruppe aus Freundinnen und Nachbarn, genannt die Lambert-Family.

Fast jeder Lambert-Klassiker zeigt die klemmige, kaputte, aber auch kuschelige Welt, die West-Berlin war. Auch in seinen Nach-Mauerfall-Filmen besteht sie als Echo fort. Schön, dass Lothar Lambert nun ausgezeichnet wird. Er hat unerschrocken und trashbereit seinen Teil zum Bildgedächtnis der Stadt beigetragen.

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