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Der Pianist Lang Lang

© Olaf Heine

Weltstar aus China: Lang Lang in der Philharmonie

Drei Mal c-Moll: Das Mahler Chamber Orchestra feiert in der Philharmonie sein 25-jähriges Bestehen mit Werken von Beethoven – und einem prominenten Solisten am Klavier.

Mehr Prominenz geht kaum: Mit Andris Nelsons am Pult und Lang Lang am Klavier geht das in Berlin beheimatete Mahler Chamber Orchestra auf Europatournee, um sein 25-jähriges Bestehen zu feiern. Ein Dritter komplettiert den Bund prominenter Namen, und der überstrahlt alle: Was für großartige Musik hat Beethoven eigentlich geschrieben, dass man auch nach 200 Jahren nicht genug davon bekommen kann?

Am Dienstagabend in der Philharmonie stehen drei Werke in c-Moll auf dem Programm, Beethovens berühmter Schicksalstonart, sie entstanden zwischen 1803 und 1807. Die „Coriolan“-Ouvertüre setzt sogleich den Ton: Unerbittlich voranpeitschend fasst sie das Drama, das mit dem Selbstmord des Titelhelden endet, in 314 Takten zusammen. Nelsons, der phänotypisch immer mehr dem späten Johannes Brahms gleichen zu wollen scheint, dirigiert ganzkörperhaft souverän, mit weit ausgreifenden Bewegungen. Kleinste Details, etwa minimal verspätete Einsätze, verraten eine gewissen Unruhe und Nervosität beim Orchester.

Die Einleitung zum nachfolgenden dritten Klavierkonzert fällt arg getragen und gedämpft, fast stumpf aus. Doch da ist ja der sympathische Weltstar aus China, dessentwegen dieses Konzert rettungslos ausverkauft ist. Lang Lang spielt auf seinem eigenen Planeten, auch wenn er sich nicht genialistisch abschottet, sondern immer wieder mit dem Tutti kommuniziert. Er reagiert, setzt sich in Beziehung – und doch ist ganz klar, wer hier der Führende ist. Man merkt: Lang Lang spielt das Orchester nicht an die Wand, könnte es aber, wenn er wollte.

Sein Anschlag changiert, mal wachsweich, extrem definiert, in der Kadenz des ersten Satzes üppig blühend. Da präsentiert sich einer im vollen, souveränen Bewusstsein seiner Könnerschaft. Das finale Rondo ist von herbem Reiz, da greift Lang Lang majestätisch zu, doch nie so, dass es zu viel werden, dass die Klangbalance zerbrechen würde. Als einzige Zugabe führt er den Song „Rainbow Connection“, einst unvergleichlich intoniert durch Kermit the Frog in der „Muppet Show“, aus zärtlichen Anfängen zum wilden Tastengewitter.

Apotheose in C-Dur

Nach der Pause dann die Apotheose in c-Moll, die – ja doch – noch vor der Neunten bedeutendste Symphonie Beethovens, die Fünfte. Nelsons beginnt die vier berühmten Schicksalsschläge in enorm flinkem, ja schneidigem Tempo, und alle Vorbehalte, die man zu Beginn gegenüber dem Orchester noch gehabt haben könnte, sind wie weggepustet: Diese Interpretation gelingt restlos überzeugend, sowohl im Ganzen wie auch in seinen Teilen, in den Soli von Oboe oder – und vor allem – den beiden Hörnern. Im dritten Satz strahlt, wie fast immer bei Beethoven, der ganze Zauber absoluter Musik, die kein Programm illustriert, sondern sich selbst und ihre Konstruktion zum Inhalt hat.

Auch jetzt noch dürften viele Lang-Lang-Fans im Publikum sitzen, die nur ab und zu ins Konzert gehen. Ein zwiespältiges Glück: Ausverkaufte Häuser sind natürlich immer großartig, doch zwischen den Sätzen reflexhaft zu klatschen und damit die Binnendramaturgie der Stücke zu zerhauen, ist trotzdem ignorant. Zum Glück gibt es im gleitenden Übergang zum vierten Satz keine Gelegenheit dazu: Aus leisesten Pianissimo-Tiefen steigt der Klang nach oben, mündet in den Dur-Ausbruch, eine Aufgipfelung zum dreigestrichenen C – lange bevor Nietzsche diesen Begriff gebrauchte. Es folgt ein aufwühlend gespieltes, von Nelson mit sicherer Hand dirigiertes Finale, in dem manches augenblickshaft ein bisschen schludrig gerät, aber der Jubelcharakter dieser Musik, die dem Zweifel keine Chance lässt (Schubert hätte das zweifellos anders komponiert), bügelt das sofort wieder aus.

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