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Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Magazins "Compact", hier im Januar bei einer Konferenz des Pegida-Ablegers Legida in Leipzig

© Hendrik Schmidt/dpa

Jürgen Elsässer und sein "Compact"-Magazin: Ein Netzwerk für Putin und Pegida

Jenseits der traditionellen Massenmedien entsteht eine umstrittene Gegenöffentlichkeit - vernetzt unter anderem mit Putin-Anhängern, AfD, Linken und Pegida.

Von Matthias Meisner

Es ist ein bizarres Netzwerk. Der einstmals linke Journalist Jürgen Elsässer, Chefredakteur von „Compact“, spielt sich die Bälle zu mit Pegida, der AfD, Politikern der Linkspartei oder dem ehemaligen Radiomoderator Ken Jebsen („Ken FM“). Er betätigt sich als Agitator für den Kreml, schmiedet Allianzen aber auch zu Vertretern etablierter Parteien. Eng vernetzt ist Elsässer auch mit den Organisatoren des „Friedenswinter“ und der „Montagsmahnwachen“. Das monatlich erscheinende Hochglanzmagazin „Compact“ hat inzwischen eine verkaufte Auflage von 30.000 Exemplaren.
Die Otto-Brenner-Stiftung hat die Akteure im Umfeld von „Compact“ jetzt zum Gegenstand einer Studie gemacht, Titel: „,Querfront’ - Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks“. Sie kommt zu dem Schluss, dass das Netzwerk sich mit Positionen auszeichne, die einfach gestrickt seien und populistische Züge trügen. So jedenfalls fasst es Jupp Legrand, Geschäftsführer der Wissenschaftsstiftung der IG Metall, im Vorwort zusammen. Legrand erkennt klare Fronten: „Volk gegen Eliten, Wahrheit gegen Lügenpresse, pro Nation und contra EU, gegen die USA und für Putin“.
Für den Grünen-Politiker Volker Beck ist es mehr als ärgerlich, dass auch prominente Politiker aus CDU und SPD dieses Netzwerk unterstützen. Im vergangenen Jahr organisierte „Compact“ in Berlin die Konferenz „Frieden mit Russland. Für ein souveränes Europa“, an der unter anderem der angesehene SPD-Veteran Egon Bahr teilnahm, daneben Andreas von Bülow, SPD-Bundesminister unter Helmut Schmidt, unter der Ex-Verteidigungsstaatssekretär Willy Wimmer, CDU.

Grüne: Krude Polit-Sekte

Bülow und Wimmer sind auch für die nächste „Compact“-Konferenz im Oktober angekündigt, sie sollen laut Programm die „Besatzungsmacht USA“ analysieren. Der Grünen-Politiker Beck sagt dazu dem Tagesspiegel: „CDU und SPD sollten dringend ihr Verhältnis zu rechtspopulistischen Verschwörungstheoretikern klären. Der Anspruch einer Volkspartei kann es nicht sein, auch in krudesten Polit-Sekten anschlussfähig zu bleiben.“ Wimmer und von Bülow seien keine kleinen Parteisoldaten. Mit dem Motto der „Compact“-Konferenz, Deutschland sei noch immer ein besetztes Land, „dreht diese wirre Polit-Sekte um Jürgen Elsässer das Rad erneut ein Stück weiter in Richtung Reichsbürgerbewegung“. Von CDU und SPD wünsche er sich ein „unmissverständliches Signal“, so Beck, „dass hier eine Grenze verläuft, die Demokraten nicht überschreiten“. Der Grüne fordert die CDU Niederrhein auf, ihre Ehrenmitgliedschaft für Wimmer zu überdenken. Tatsächlich ist das Netzwerk um „Compact“ und Elsässer durchaus ernst zu nehmen, wie auch der Journalist Wolfgang Storz, früher unter anderem Chefredakteur von „Metall“ und „Frankfurter Rundschau“, in seiner gut 50-seitigen Studie für die Brenner-Stiftung belegt. Er hat viele Querverbindungen untersucht, auch mit den wichtigsten Akteuren gesprochen.

Lutz Bachmann von Pegida bekommt Bestnoten

„Compact“ konzentriert sich laut Brenner-Studie unter anderem auf eine positive Darstellung von Pegida- und Hooligan-Demonstrationen, im Januar war Elsässer Redner beim Ableger Legida in Leipzig. In einer der jüngsten Ausgaben wurde Pegida eine Titelgeschichte gewidmet, laut der Kritik an der Anti-Islam-Bewegung wegen angeblicher Ausländerfeindlichkeit „eine regelrechte Hetzkampagne“ ist. „Pegida-Kopf Lutz Bachmann“ bekomme in dem Text Bestnoten für seine organisatorische und politische Umsicht. Auch der AfD-Flügel um Alexander Gauland werde von „Compact“ unterstützt. Gut beurteilt würden von Elsässer und seinen Mitstreitern auch die aktuelle Politik der ungarischen Regierung, von Wladimir Putin und Front National.

Verbindungen zur Landsmannschaft Ostpreußen

Regelmäßig inseriere bei „Compact“ die neurechte „Preußische Allgemeine Zeitung“, offizielles Organ der Landsmannschaft Ostpreußen, schreibt Storz. Beiträge dieses Blattes wiederum werden gern auf den Seiten von Pegida geteilt. Neulich etwa das Video über einen Auftritt der DDR-Bürgerrechtlerin und früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld. Sie sagt vor dem Auditorium des Vertriebenenblattes unter Beifall: „Die CDU, der ich beigetreten bin 1996, die gibt's nicht mehr, und zwar restlos nicht mehr.“ Pegida kommentiert: „Lengsfeld bringt es auf den Punkt.“

Vernichtend fällt die Analyse von Storz nicht aus. Dass die Porträtierten wahlweise als Antisemiten, Rechtspopulisten oder Verschwörungstheoretiker charakterisiert und ausgegrenzt würden, nutzten diese „offensiv und mit Erfolg als Moment der Identitätsstiftung“, schreibt er. Dem Netzwerk sei es gelungen, jenseits der klassischen Medienwelt ein „stabiles publizistisch-politisches Medien-Angebot aufzubauen“, mit einer „kommunikativen Vollversorgung, bestehend aus täglichen Online-Diensten, Newslettern, Blogs, Videos, Internet-TV, einem Monatsmagazin, Büchern, Veranstaltungen, Konferenzen bis hin zu ,montäglichen Kundgebungen und Demonstrationen’“.

Versuche der Abgrenzung wurden von Parteien mehrfach unternommen. Die Linke etwa ging auf Distanz zum „Friedenswinter“. Nach Angaben der Facebook-Seite von „Friedensdemo Watch“ wird nun aber eine Nachfolgekampagne unter anderem von Linken-Parteichef Bernd Riexinger unterstützt, daneben von mehreren Bundestagsabgeordneten wie Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke. Gehrcke wiederum war Interviewpartner von „Ken FM“, derweil der brandenburgische AfD-Politiker Gauland von „Compact“.
Storz stellt in seinem Ausblick fest, dass die Resonanz des Netzwerkes bisher begrenzt sei, ein „noch“ setzt er in Klammern dazu. Am Entstehen sei eine „gut funktionierende und leistungsfähige eigenständige ,Gegenöffentlichkeit’ jenseits der traditionellen Massenmedien“. Die tun gut daran, tüchtig dagegenzuhalten.

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