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Frau von der Leyen bei Günther Jauch.

© dpa

TV-Kritik zu Günther Jauch: Die künftige Ersatzkanzlerin von der Leyen

Die Talk-Runde von Günther Jauch am Sonntagabend hat vor allem gezeigt, wie schnell sich frühere politische Gegner lieb haben, wenn sie gemeinsam regieren. Und es stellten sich fundamentale Fragen.

Schieß mich tot, wusste die Jauch-Redaktion vor vielen anderen, wer was wird im Kabinett Merkel? Jedenfalls war die Besetzung der Runde zur künftigen Regierung und Regierungsarbeit aktueller als aktuell: Andrea Nahles, die Gerade-Noch-Generalsekretärin der SPD und künftige Arbeits- und Sozialministerin, saß neben Ursula von der Leyen, CDU-Vorgängerin im Ministeramt und designierte Verteidigungsministerin. Gott, wie die beiden am Anfang und vor allem am Schluss um die Wette strahlten. Ist gute Laune erste GroKo-Pflicht

Linken-Politiker Gregor Gysi war auch da, er strahlte weniger, als Solist hatte er die Last der Opposition zu tragen. Er konnte immerhin kleine Einwürfe anbringen und stellte einen Anforderungskatalog auf, was die schwarz-rote Koalition zu liefern habe. Das machte die Ministerinnen nicht nervös. Sie wollten kein Klein-Klein und schon gar nicht den Koalitionsvertrag klein reden lassen.

Ursula von der Leyen war kämpferisch drauf, nicht unpassend, wo sie doch erste Verteidigungsministerin in Deutschland wird. „Ich habe nicht gedient“, sagte die Politikerin. Und parierte die Frage, ob sie dieses Amt denn könne mit dem Hinweis darauf, dass sie bereits das vierte Ministerium in ihrer Karriere übernehme. Von der Leyen sprach voller Gewissheit, den Herausforderungen und Fallstricken dieses Ministeriums mit eingebautem Rücktrittsrisiko gewachsen zu sein. Wie immer sich die Personalie auch bewähren mag, Ursula von der Leyen konnte durchaus vermitteln, dass sie nicht nur eine überraschende Besetzung ist, sondern auch eine kompetente sein will.

Da sprach die künftige Kanzlerin

Kompetent auf allen Feldern: Sie nahm jedes Thema an, was immer Günther Jauch auch wissen wollte. Da sprach die Ersatz- oder künftige Kanzlerin, selbst bei den Fragen, die eigentlich Andrea Nahles angehen sollten. Die aber schwieg, wo von der Leyen redete und redete und redete. Schien Nahles nicht zu stören, die Hanni von der SPD und die Nanni von der CDU agierten untergehakt. Sollte es zwischen den Politikerinnen unterschiedliche Auffassungen und Meinungen geben, am Sonntagabend ließen sie nichts davon erkennen. So ein Regierungs- und Ministerinnenbündnis schafft Solidarität über Nacht. Schon unheimlich, was Politik aus Politikern macht. 

Das Journalistenduo in der Talkrunde, die „Zeit“-Korrespondentin Elisabeth Niejahr und der „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni, gab sich kritisch, was die Ministerinnen, was die große Koalition in den kommenden vier Jahren anstellen werden. Attacken wollte keiner reiten, wobei Niejahr deutlicher als Zamperoni Fragezeichen setzte. Zugespitzte Konfrontation bot die Stunde Talk nicht, Binsen und Wahrheiten hielten sich die Waage. Immerhin, die Gefahr, dass die von Jauch im Zeitlupen-Modus moderierte Sendung zur Halbzeit einfach stehen blieb, die wurde noch gebannt.  

Der Talk brachte unter der Hand neue und für das Fernsehformat fundamentale Fragen hervor. Wie wird sich die politische Talkshow zu den Schwarz-Roten verhalten? Ein oppositioneller (Gysi-)Gast reicht nicht, wozu taugen die Grünen? Es hilft nichts, die Talk-Redaktionen werden mehr Grips und Mühe auf die Gästeliste verwenden müssen, um eine Sach- und Fachopposition zu garantieren.

Wer, wenn nicht eine erdrückende Parlamentsmehrheit braucht Kontra und Gegenrede? Der Vorsitzende Journalist der erfolgreichsten  Talkshow im deutschen Fernsehen, Günther Jauch, ist als Erster gefordert. Es ist noch nicht Heldenmut, aber bitte so viel Courage gefordert, dass dieser Talkmaster nicht länger das Werfen von Wattebäuschchen für eine adäquate Umgangsweise mit der politischen Kaste hält.

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