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Der CDU-Politiker Peter Altmaier nutzt seinen Twitter-Account für den Dialog mit den Followern.

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Twitternde Politiker: Folge den Mächten des Lichts

Eine Studie krönt CDU-Politiker Altmaier zum Twitter-König des Bundestages. Die Aktivitäten der untersuchten SPD-Politiker werden weniger positiv bewertet.

Jeder zweite Bundestagsabgeordnete twittert. Genauer gesagt verfügen 311 der 620 Volksvertreter über ein Profil beim amerikanischen Internet-Kurznachrichtendienst, wie Martin Fuchs für seinen Blog "Hamburger Wahlbeobachter" zu Anfang des Jahres ermittelte. Klasse ist dabei wichtiger als Masse, ergibt die Studie „Twitterpolitik. Politische Inszenierungen in einem neuen Medium“ des Berliner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM). Obwohl sich in der CDU/CSU-Fraktion mit knapp unter 40 Prozent die wenigsten Twitterer befinden, haben die Macher der Studie gerade dort besonders umtriebige Twitter-Nutzer gefunden. Besonders der CDU-Politiker und Bundesumweltminister Peter Altmaier (@peteraltmaier, 38 000 Follower) hat dieses Prinzip erkannt und nutzt Twitter für den Dialog mit den Followern in durchaus ironischer Weise. „Manchmal denke ich, ich hätte Twittern lassen sollen. Dann könnte ich Peer Steinbrück auf die Schulter klopfen und sagen, wie cool wir sind“, erwidert Altmaier auf einen Tweet von Dorothee Bär (@DoroBaer, 12 700 Follower). Nicht zuletzt mit Blick auf den Bundestagswahlkampf empfehlen die Autorinnen der Studie, die Soziologinnen Jasmin Siri und Katharina Seßler, den Politikern, Twitter nur dann zu nutzen, „wenn sie darauf Lust haben und sich auf die Eigenlogik des Mediums einlassen möchten“.

Siegmar Gabriel (SPD) lässt eher die Parteilinie verbreiten.
Siegmar Gabriel (SPD) lässt eher die Parteilinie verbreiten.

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Dagegen lässt SPD-Chef Sigmar Gabriel (@sigmargabriel, 24 600 Follower) via Twitter überwiegend von seinem Mitarbeiterteam aktuelle Parteilosungen verbreiten. Auch sein hessischer Parteikollege Thorsten Schäfer-Gümbel (@tsghessen, 14 600 Follower) gibt über Twitter nur wenig über sich preis. Im Wesentlichen informiert er darüber, wann er zu welchem Termin erscheinen werde. Selbst bei Themen von übergeordneter Wichtigkeit wie die Festlegung der SPD auf ihren Spitzenkandidaten Peer Steinbrück wichen die SPD-Politiker nicht von ihrem Rollenverhalten ab. „Wir setzen mit dem heutigen Tag auf Sieg und nicht auf Platz. #Steinbrueck“, schrieb Schäfer-Gümbel und verzichtete genau wie Parteichef Gabriel („Heute hat der SPD-Parteivorstand einstimmig Peer Steinbrück als Kanzlerkandidaten nominiert. Es gab keinen Machtkampf“) auf jede persönliche Note.

Die beiden Wissenschaftlerinnen hatten im Auftrag des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik im Herbst 2012 zwei Monate lang die Twitteraktivitäten von 13 deutschen Politikern aller Couleur untersucht. Gerade durch seine im Vergleich zu Facebook verkürzte Form ist Twitter nicht nur das härtere, schnellere und direktere „social network“, sondern eben auch ein genuin politisch-publizistisches Instrument, urteilt IfM-Direktor Lutz Hachmeister.

Und Piratin Marina Weisband twittert über alle Belange des Lebens.
Und Piratin Marina Weisband twittert über alle Belange des Lebens.

© dapd

Die Piraten-Politikerin Marina Weisband (@Afelia, rund 38 000 Follower) stellt den Typus des „genuinen Twitterati“ dar – ebenso enthusiastisch wie konfus, von der Sehnsucht nach Veränderung bewegt, aber ohne den Anflug von revolutionärem Elan. Ohnehin täusche die Twitterkommunikation häufig egalitäre Interaktivität vor, etwa im kumpelhaften Umgangston bestimmter Journalisten mit Piraten, wo es letztlich nur um die Bewahrung publizistischer und politischer Hierarchien geht, meint Hachmeister.

Immerhin: Twitter wirkt. In Deutschland sei es Twitter-Aktivisten mit der #Aufschrei-Kampagne gegen männlichen Sexismus Anfang des Jahres gelungen, das Thema auf die Titelseiten der Presse und in die TV-Shows zu bringen. Seither wissen „auch ältere Politiker und Publizisten, dass ein #Hashtag keine holländische Kifferzeremonie ist“, stellt Hachmeister fest. Als jedoch das Thema im publizistischen Establishment ankam, implodierte es dort – der FDP-Politiker Rainer Brüderle, der die Diskussion ausgelöst hatte, wurde auf dem Parteitag der FDP zum Spitzenkandidaten der Bundestagswahl gekürt.

Inzwischen frisst die Twitter-Revolution jedoch ihre Kinder. Christopher Lauer (@schmidtlepp, 23 100 Follower) von den Piraten kündigte zwischenzeitlich seinen Rückzug aus dem Adhoc-Medium an. Twitter sei auf Dauer zu ermüdend, ständig habe man es mit Trollen und persönlichen Beleidigungen zu tun. Die Präsenz in Talkshows und Qualitätsmedien gehe zudem mit einer höheren Reichweite einher. „Die Arbeit von Politikern wird ständig kommentiert. Die von Herzchirurgen nicht. Wie unfair“, hatte sich Lauer beschwert. Inzwischen postet er wieder unregelmäßig.

Im besten Fall erlaubt Twitter eine Kommunikation über Parteigrenzen hinweg. So etwa, wenn Peter Altmaier von der CDU mit Volker Beck (@Volker_Beck, 31 300 Follower) von den Grünen im Nachgang zu einer Talksendung von Günther Jauch über Followerzahlen frotzelt und ihnen die Linken-Politikerin Petra Pau (@PetraPauMaHe, 2300 Follower) dazu eine geruhsame Nacht wünscht. Altmaier erwidert darauf, dass er am nächsten Tag die Solarindustrie in den neuen Bundesländern verteidigen werde, also „die Mächte des Lichts gegen die Mächte der Finsternis:–)“.

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