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Wäre eine Stadt zu regieren nur so einfach wie ein Mischpult zu bedienen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit bei der Eröffnung des Start-up Zentrums Factory Berlin.

© dpa

Zwischen BER-Chaos und Flüchtlingsprotesten: Am Mischpult des Wahnsinns

So viel passiert in der Stadt - ob Streit ums Gasnetz, Hochstapler beim BER oder das Gezerre um die Flüchtlinge. Der politische Schaltplan liegt derweil längst im Müll.

Dienstagmorgen im Roten Rathaus. Der Senat nimmt Platz. Auf der Tagesordnung steht eine Kleinspielfeldanlage in der Albrechtstraße, die der Sportsenator schließen will; die Forderung der Arbeitssenatorin, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen; und die Berufung von Dr. Hagen W. Lippe-Weißenfeld zum stellvertretenden Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Bröhan Museum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus. Außerdem: das „Angebot zur Unterbringung und Versorgung der Menschen im besetzten ehemaligen Schulgebäude in der Ohlauer Straße“. Mit anderen Worten: Die „Gerhart Hauptmann“ wird geräumt.

Noch während der Senatssitzung twittert die Polizei: „Wir sichern ab jetzt aufgrund der Bitte des Bezirkes Friedrichshain-Kreuzberg die Umzugsmaßnahmen.“ 900 Polizisten sind aufmarschiert. Bezirksstadtrat Panhoff von den Grünen verscheucht einen Fotografen: „Wir brauchen keine Presse!“ Das Angebot zur Unterbringung und Versorgung wird von den Flüchtlingen falsch verstanden. Einige verbarrikadieren sich, schütten Benzin aus und drohen damit, sich anzuzünden. Auf einem der draußen bereitstehenden Fahrzeuge steht: „Bus fahren macht Spaß.“ Im Roten Rathaus geht’s jetzt ums Gas. Oder geht’s um mehr? Justizsenator Heilmann will die Vorlage zur Konzessionsvergabe ans landeseigene Unternehmen „Berlin Energie“ nicht „zustimmend zur Kenntnis“ nehmen; er hält das Verfahren für rechtswidrig.

Finanzsenator Nußbaum, auffällig gut informiert über Heilmanns private Beteiligungen, stellt fragend einen Zusammenhang her zwischen eigenem Portfolio und dem Einsatz für die unterlegene Gasag. Die CDU schäumt, von rechtlichen Schritten ist die Rede.

In der Aufregung verpasst die Runde den zweiten Flughafenknaller innerhalb von 24 Stunden: Erst waren in Lichtenberg in zwei Müllcontainern stapelweise vertrauliche BER-Unterlagen mit detaillierten Angaben zur Stromanlage, zur Förderanlage, zu Schaltplänen und zum Grundriss gefunden worden. Dann meldete der „Stern“, dass der Ingenieur, der maßgeblich an der verkorksten Entrauchungsanlage mitgewirkt hat, gar kein Ingenieur ist, sondern nur einen Gesellenbrief als technischer Zeichner hat.

Heute vor 750 Tagen hätte der Flughafen eröffnet werden sollen. In genau zehn Jahren sollen Olympische Spiele eröffnet werden. Klaus Böger, früher Senator, heute Präsident des Landessportbundes Berlin, spricht sich am Nachmittag den Frust von der Seele: „Das größte Problem bei der Bewerbung ist das fehlende Vertrauen in die Politik.“ Böger, dem Wowereit die Kompetenz abgesprochen hatte, zieht Parallelen zu Tempelhof: „Da stellt sich der Wowereit hin und sagt, die Unterstützer haben versagt. Das ist der alte Wowereit, das kenne ich doch. Wenn ich am Abgrund stehe, greife ich an.“ Es müsse endlich über Olympia diskutiert werden.

Der Senat beschließt, am „nationalen Interessenbekundungsverfahren“ teilzunehmen. Eine „Bürgerolympiade“ soll es werden. Nach der Sitzung fragt ein Journalist den Senatssprecher, wie die Bürger beteiligt werden sollen. Die Antwort: „Mit dem Thema hat sich der Senat nicht befasst.“

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