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Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im August 2012 vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.

© dpa

Angela Merkel in Athen: Auf die Geste kommt es an

Bei ihrem heutigen Besuch in Athen kann Angela Merkel den Griechen keine großen Versprechungen machen. Wie es für das Land weitergeht, wird auf EU-Ebene entschieden. Dennoch kann die Kanzlerin mit dem Besuch etwas bewirken.

Verwandtenbesuche, vor denen man sich drückt, werden mit jeder Verschiebung unangenehmer. 2007 war Angela Merkel das letzte Mal in Athen. Damals wollte sie die Griechen noch zu Rüstungsgeschäften animieren, von denen sich deutsche Unternehmer schöne Renditen erhofften. Jetzt fährt sie, von ihrem griechischen Kollegen Antonis Samaras eingeladen, für sechs Stunden in ein Land, das am Abgrund steht.

Zehntausende von Demonstranten werden der Kanzlerin ihren Zorn entgegenschreien – einer Kanzlerin, die sie für die Ursache ihres ganzen Elends halten. Das ist falsch, es ist auch nicht gerecht. Den Griechen geht es schlecht, nicht weil Angela Merkel von ihnen Sparanstrengungen verlangt, sondern weil ihre Regierungen mehr als zehn Jahre lang das eigene Volk und die Europäische Union über die wirtschaftliche Lage belogen und betrogen haben. Deshalb, nur deshalb wurde ihnen 2010 erstmals die Rechnung dafür präsentiert.

Aber die Wut ist nachvollziehbar, denn die deutsche Regierungschefin hat das hellenische Wirtschaftsdrama lange wie eine Krankheit behandelt, derer man durch Verwünschungen des Patienten Herr zu werden hofft. Noch im Frühjahr 2010 verschleppte sie EU-Hilfen für das notleidende Griechenland in der Hoffnung, über den nordrhein-westfälischen Landtagswahltermin zu kommen, ohne Zugeständnisse machen zu müssen. Das klappte nicht. Madame Non, wie sie im Kreise der EU-Regierungschefs genannt wurde, musste schließlich Ja sagen, weil die Griechen selbst um Nothilfe nachsuchten.

Dass Merkel heute in Griechenland – und nicht nur dort – so unbeliebt ist, liegt an dieser hinhaltenden Taktiererei. Die mag zu einem Gutteil den Hardlinern in der eigenen Koalition geschuldet sein, von denen einige sich auch jetzt noch aufführen, als sei Griechenland eine unbotmäßige Kolonie, deren Bewohnern man nur mit Strenge beikommen kann. Ob sie nun Horst Seehofer, Markus Söder oder Volker Kauder heißen: Die Begleitmusik, die sie zur Reise der Kanzlerin anstimmen, ist kaltschnäuzig, sie klingt schrill und dissonant.

Angela Merkel selbst kann das keiner vorwerfen. Man nimmt es ihr ab, wenn sie sagt, angesichts des griechischen Elendes blute ihr das Herz. Nur ist ihr zu wünschen, dass sie etwas von jenem Mitgefühl, jenem Mitleiden vermitteln kann, ohne das auch die internationale Politik in Krisenzeiten nicht funktioniert. Compassion hat Willy Brandt das als Erster genannt, es war am 12. Oktober 1972, fast auf den Tag genau vor 40 Jahren.

Dass die Kanzlerin in ein Land reist, in dem sie nicht willkommen ist, beweist Verantwortungsgefühl und Weitblick über die verschatteten Figuren im Umfeld ihrer Regierung hinaus. Natürlich kann sie nichts versprechen. Wie es mit Griechenland und den dringend nötigen Hilfen weitergeht, entscheidet nicht die deutsche Kanzlerin. Das ist Sache der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und Europäischer Union. Aber Angela Merkel kann ihre Solidarität mit der griechischen Regierung demonstrieren. Kann sie durch schiere Anwesenheit in den Bemühungen stärken, nicht immer nur die Armen für die Verschwendungen der Vergangenheit büßen zu lassen, sondern endlich auch die Reichen zu stoppen, die ihr Geld ins Ausland bringen. Den Griechen das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine sind, hilft auch Europa. Die Kollateralschäden eines Zusammenbruchs der griechischen Gesellschaft würden den ganzen Kontinent treffen.

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