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Volkswagen präsentiert den Audi Q6 e-tron beim Pressetag der Auto- und Verkehrsmesse IAA in einer Halle der Messe München.

© dpa/Martin Schutt

Elektromobilität auf der IAA: Der chinesische Vorstoß kommt für deutsche Autobauer zum ungünstigen Zeitpunkt

Konkurrenten aus China präsentieren bei der IAA Elektroautos in allen Preisklassen. Die deutschen Hersteller sind schwer unter Druck – 2023 könnte ein epochales Wendejahr für die hiesige Branche werden.

Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

In den 1970er Jahren kamen die Japaner. Toyota, Nissan und Honda lehrten die deutschen Autohersteller mit effizienten Fabriken und aggressiven Preisen das Fürchten. In den 1990er Jahren folgten die Koreaner. Hyundai und Kia wuchsen mit kleinen, gut ausgestatteten Autos zu einer Größe. 2008 verkaufte Tesla sein erstes Elektroauto in Deutschland. Der US-Hersteller machte BMW, Mercedes und Volkswagen Beine bei der Elektromobilität.

Und jetzt die Chinesen. Auf der Automobilausstellung in München, die nun IAA Mobility heißt, zeigen ab Dienstag Hersteller wie BYD, MG oder Nio, was sie können: Sie präsentieren moderne Elektroautos in allen Preisklassen, in Europa designt, mit europäischen Zuliefer-Zutaten entwickelt, in China produziert.

Die automobile Geschichte zeigt, dass Wettbewerb gut ist – für die Entfaltung der eigenen Leistungs- und Innovationsbereitschaft und fürs Geschäft. Die deutschen Autokonzerne und ihre Zulieferer sind in der Auseinandersetzung mit Asiaten und Tesla in den vergangenen 50 Jahren besser geworden. Autos „made in Germany“ gelten weltweit immer noch als Referenz für Qualität und Ingenieurskunst. Noch.

Der Vorstoß der Chinesen kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Statt von den Stärken der Deutschen ist allenthalben von ihren Schwächen, ihrer Verwundbarkeit die Rede. Chinesisches Selbstbewusstsein trifft auf deutsche Verzagtheit. BMW, Mercedes und Volkswagen werden in München alles tun, um diesen Eindruck zu zerstreuen.

Aber ihre Neuheiten-Show und das Nachhaltigkeits-Getrommel werden die Probleme, mit denen sie sich herumschlagen müssen, nicht vergessen machen. 2023 könnte ein epochales Wendejahr für die deutsche Autoindustrie markieren. Denn es geht diesmal nicht nur um Effizienz, Preise, Modelle oder Antriebsarten. Es geht um alles zugleich: fragile Wertschöpfungsketten, knappe Rohstoffe, technologische Standards und hohe Kosten, gefährdete Märkte, industrie- und geopolitische Rahmenbedingungen, den Klimawandel.

Rückblickend erscheinen die Herausforderungen des Benzin- und Dieselzeitalters klein. In der Summe könnten die neuen Aufgaben selbst für die starke deutsche Branche zu groß werden. Die neuen chinesischen Wettbewerber haben in diesem „perfekten Sturm” einen entscheidenden Vorteil. Sie beherrschen den wertvollsten Teil des Autos der Zukunft: die Batterie. Hier scheinen ihr technologischer Vorsprung und die industrielle Produktionsroutine uneinholbar. Dieses Know-how hat ihnen erlaubt, die mehr als 100-jährige Entwicklungsgeschichte des traditionellen Autobaus zu überspringen.

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Buchstäblich traumhaft ist hier der Erfolg von BYD („Build Your Dreams“): Erst 2010 baute der Konzern, bis dato größter Produzent von Akkus und Komponenten für Mobiltelefonie, sein erstes Elektroauto. Heute ist BYD der größte E-Auto-Produzent der Welt und hat Volkswagen als Marktführer im chinesischen Heimatmarkt überholt.

Milliardenschwer hat die autoritäre Regierung in Peking den automobilen Feldzug hunderter heimischer Autobauer subventioniert. Und sie lässt nicht nach, denn die Verlockung, in einen so wichtigen etablierten Industriezweig des Westens einzubrechen, ist zu groß. Gleich mehrere Hebel haben die Machthaber dabei in der Hand. Sie fördern nicht nur die heimische Technologie, sie horten auch die dafür nötigen Rohstoffe und verkleinern den Spielraum für westliche Autobauer auf dem chinesischen Markt.

Wie weit ihr Einfluss auf den deutschen Markt reicht, wird sich zeigen. Noch sind die Zulassungszahlen von BYD & Co. bescheiden. Und die deutschen Wettbewerber wehren sich. BMW hat schon vor der IAA am Sonnabend seine rein-elektrische, vernetzte „Neue Klasse” präsentiert. Zeitgleich kritisierte Vorstandschef Oliver Zipse so scharf wie nie das Aus für Benziner und Diesel und die Elektromobilität.

Was gilt also? Die Angst vorm Verlust des Verbrennungsmotors scheint bei deutschen Autobauern immer noch größer als ihr Mut, sich mit aller Kraft und größtem Tempo der Elektromobilität zu widmen.

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