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Silvio Berlusconi wird nicht Italiens Staatspräsident.

© Imago/Anan Sesa

Berlusconi gibt auf: Italien bleibt ein Alptraum erspart

Wirklich schlimm ist nicht die Realitätsferne Berlusconis. Erschreckend ist eine politische Rechte, die ihn zum Staatspräsidenten gemacht hätte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Der Sinn seines Lebens, „mein Traum, seit ich ein Kind war“: Jetzt, 28 Jahre nach seinem Einstieg in die Politik, sei er ausgeträumt.

So begann Sonntagfrüh der Bericht der größten Zeitung Italiens, des Corriere della sera, über den Rückzug Silvio Berlusconis aus dem Rennen um die Staatspräsidentschaft. Auch die Anekdote von Mamma Rosa fehlte nicht, die den Grundschulaufsatz des ehrgeizigen Sprösslings (Was willst du machen, wenn du groß bist?) ein Leben lang aufhob.

Ein Textanfang, der selbst eine private Trauergemeinde wohl peinlich berührt hätte. Der Traum des inzwischen 85-jährigen dreifachen Ministerpräsidenten wäre für sein Land ein Alptraum geworden. Die Partie um den Quirinalshügel ist offen genug. Gut, dass wenigstens der Fall Berlusconi erledigt ist.

380.000 Italienerinnen und Italiener hatten in wenigen Wochen eine Petition unterschrieben, dass gerade dieser eine auf keinen Fall ins höchste Staatsamt dürfe: „Der Staatspräsident muss Garant der Verfassung sein. Silvio Berlusconi ist Garant von Korruption und Prostitution, nicht nur juristisch. Die Verfassung dagegen hat er vor und nach seinem Einstieg in die Politik gebrochen“, heißt es darin.

Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit – auch der Geschlechter, Pressefreiheit, eine unabhängige Justiz und ein freier Markt, öffentliches Schul- und Gesundheitssystem, Antifaschismus – all dies seien Verfassungsprinzipien, zu deren Verteidigung er sich dreimal mit seinem Amtseid verpflichtet, die er aber gebrochen habe.

Als „Berluskaiser“ sich noch als Ministerpräsident Gesetze auf den Leib schneidern lassen konnte, weil seine persönliche Klientelpartei „Forza Italia“ im Parlament jeden Missbrauch, jeden Regelbruch durchwinkte, seufzte einst ein Kommentator resigniert: Wann immer er über angeblich rote Richterinnen und seine Verfolger in der Finanzverwaltung herziehe, sei das ein Werbespot für Steuerhinterziehung.

"Vattene" ("Hau ab") forderten Demonstranten in Mailand 2005 während eines Generalstreiks von Silvio Berlusconi.
"Vattene" ("Hau ab") forderten Demonstranten in Mailand 2005 während eines Generalstreiks von Silvio Berlusconi.

© imago

Er wäre in Dauerschleife gegangen mit ihm im Quirinalspalast, und er hätte auch weiter gegen Richter und Rechtsstaat PR gemacht, Frauen herabgesetzt und seine Unternehmensinteressen dort verfolgt. Als Steuerbetrüger ist er inzwischen sogar zu vier Jahren verurteilt. Alle anderen unzähligen Verfahren konnte er, auch jetzt noch die Nummer acht der reichsten Italiener:innen, mit einem Heer von Anwälten, Tricks und Gesetzen ad personam verhindern.

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Einer, der den Staat betrogen hat, an der Spitze des Staats. Wirklich schlimm ist nicht die Realitätsferne und der Narzissmus eines Mannes. Erschreckend ist eine politische Rechte, die ihn, hätte er die nötige Stimmenzahl zusammengebracht, ins Amt gehievt hätte. Eine Rechte, die ständig „Ehre“ und „Ordnung“ im Munde führt – nur da – und die größte Aussichten hat, nach der nächsten Parlamentswahl 2023 die Mehrheit zu stellen.

Ob der Rückzug vom Samstagabend wirklich das politische Aus für Silvio Berlusconi ist: Man sollte nicht darauf wetten. Schon sein Einstieg in dieses Rennen war wie ein Thriller, in dem der bereits tödlich Verwundete zu einem letzten Sprung ansetzt und seinerseits (weiter) mordet. Ihm wären auch mit 90 noch derlei Coups zuzutrauen, die Langlebigkeit italienischer Politkarrieren ist ohnedies legendär. Ganz sicher ist: Der Berlusconismus, sein fürchterliches Erbe, lastet weiter auf Italien.

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