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Die Kanzlerin Angela Merkel in Berlin.

© AFP

Bilanz der schwarz-gelben Regierung: Koalition der kurzen Linien

In CDU, CSU und FDP gibt inzwischen jeder zu, dass der Koalitionsvertrag von 2009 ein Fehler war, weil er Kleinzeug zusammenschusterte, statt Linien vorzugeben. Aber vier Jahre später ist nicht mal genug Kleinzeug da.

Von Robert Birnbaum

Manchmal konzentriert sich in kleinen Begebenheiten das ganze Elend. Die halbe Weltliteratur beruht auf diesem Prinzip, aber es funktioniert auch in der Politik. Am Sonntag verkündete eine knappe Nachrichtenmeldung das Ende eines kleinen Regierungsprojekts: Das Gesetz zum Bildungssparen kommt nicht mehr. Das Gesetz sollte dafür sorgen, dass Eltern, die das Betreuungsgeld bekommen, dies mit einer kleinen Zusatzprämie versüßt für die Ausbildung ihrer Kinder hätten anlegen können. Den Passus hatte die FDP in das CSU-Projekt hineinverhandelt. Dass er jetzt wieder rausfällt, hat machtpragmatische Gründe: Der Bundesrat hätte zustimmen müssen, und weil der Rot-Rot-Grün dominiert ist, hätte er das kaum getan.

Wieder mal ein schwarz-gelbes Vorhaben gescheitert, mag man achselzuckend denken. Aber der Vorgang steht exemplarisch für vieles, was die letzten vier Jahre ausgemacht hat. Und weil an diesem Freitag der 17. Bundestag seine reguläre Gesetzesarbeit einstellt, ist es Zeit für die Bilanz einer einstigen Wunschkoalition.

Auf dem Papier liest sich die so schlecht nicht. Mehr als 400 Gesetze wurden beschlossen und verkündet, darunter so folgenschwere wie die Beschlüsse zur Banken- und Euro-Rettung. Schwarz- Gelb hatte immer eine eigene und meist auch die bloß symbolisch wichtige Kanzlermehrheit. Einige wenige Vorhaben hat der Bundesrat gestoppt.

Die politische Bilanz von CDU und FDP sieht düster aus

Politisch gewichtet sieht die Bilanz schon düsterer aus. Die Euro-Rettung bleibt das Glanzstück an Gemeinsamkeit, egal was man von ihr hält. Sie überstrahlt alles andere allerdings auch deshalb, weil da sonst so viel nicht ist. Laufende Regierungsgeschäfte, ja doch, ein von guter Konjunktur begünstigter Haushalt, hier und da ein kleinerer Merkposten. Aber hatten sich nicht Schwarze und Gelbe jahrelang zusammengeträumt, um diese Gesellschaft zu verändern? Oh ja, das hatten sie. Und sie meinten nicht ökonomisches und politisches Kleingeld wie Hotelrabatt und Betreuungsgeld damit.

Der Traum vom bürgerlichen Durchregieren ist lange ausgeträumt, im Gezänk versunken. Die Ursachen lagen in der Demütigung der CSU, die unter dem Verlust der Allmacht litt, und den Demütigungen der FDP, der eine eiserne Kanzlerin ihre zentrale Wahlillusion abrang. Die Erschütterungen dieses Gewaltakts wirken bis heute. Er stürzte die FDP in eine Führungskrise, die erst seit kurzem und nur vorläufig beruhigt ist. Er ließ Schwarze und Gelbe jene wichtigen ersten Monate verlieren, in denen sie im Bundesrat sogar eine absolute Mehrheit hatten.

Schwarz-Gelb hat hoffentlich Europa gerettet und ansonsten bewiesen, dass Deutschland ganz gut auch ohne Regierung auskommt

Heute ist die Lage beinahe umgekehrt; was noch auf letzter Strecke zu kleinen schwarz-gelben Leuchtfeuern hätte werden können, wie das Gesetz gegen die Steuerprogression, kassierte die oppositionelle Ländermehrheit. Was aus dieser Legislatur vielleicht in Erinnerung bleiben wird – das Ende der Atomkraft, das Ende der Wehrpflicht – ist den Regierenden wider Willen zugestoßen.

Die Bilanz also? Schwarz-Gelb hat hoffentlich Europa gerettet und ansonsten bewiesen, dass Deutschland ganz gut auch ohne Regierung auskommt. Das ist ein bisschen wenig. Es ist sogar viel zu wenig für ein Bündnis, das von sich selbst behauptet, es wolle vier Jahre weitermachen. Dass eine starke Kanzlerin und eine desorientierte SPD ihm sogar die Chance dazu bieten könnte, lässt die Sache umso bedenklicher erscheinen.

Denn es ist ja nach wie vor kein Umriss einer „bürgerlichen“ Politik in Sicht. Bestenfalls droht gemütliches Weiterwurschteln, schlimmstenfalls Weiterzanken an exakt den Punkten, an denen es heute schon hakt: innere Widerstände hier, der Bundesrat da. Selbst das kleine Gesetz zum Bildungssparen hätte nach dem 22. September nicht mehr Chancen als heute.

In CDU, CSU und FDP gibt inzwischen jeder zu, dass der Koalitionsvertrag von 2009 ein Fehler war, weil er Kleinzeug zusammenschusterte, statt Linien vorzugeben. Aber vier Jahre später ist nicht mal genug Kleinzeug da, dafür viel zu viele viel zu kurze Linien. CDU und CSU tun so, als ob sie ein Programm hätten. Die FDP tut so, als hätte sie eine Idee. Ein Gründungsdokument von Schwarz-Gelb zwo müsste dann wohl konsequenterweise Simulationsvertrag heißen.

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