zum Hauptinhalt
Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht mit Peter Müller (l-r), Doris König (Vorsitz), Sibylle Kessal-Wulf, Christine Langenfeld und Rhona Fetzer.

© dpa/Uli Deck

Bundesverfassungsgericht AfD-sicher machen?: Für den Glauben an die Demokratie gibt es kein Gesetz

Die Ampel-Koalition und die Union wollen das Karlsruher Gericht veränderungsfest machen. Dabei irritiert es, dass sie den Vorstoß nur mit Blick auf eine gewisse Partei unternehmen.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Das Bundesverfassungsgericht genießt einen hervorragenden Ruf in Europa und das Vertrauen der deutschen Bevölkerung. Karlsruhe ist der Ort, an dem politische Konflikte befriedet und Widersprüche auf wundersame Weise miteinander vereinbart werden.

Eine Integrationsagentur, eine Konsensmaschine. Zugleich eine heimliche Opposition mit unheimlicher Autorität, wenn das Gericht den Regierenden mal wieder die Spur verstellt, etwa mit dem Haushaltsurteil.

Es gibt also Gründe, dieses funktionierende System im Grundgesetz zu verewigen – wo vieles, was es am Laufen hält, bisher nicht geregelt ist.

Stattdessen steht etwa das ebenfalls auf konsensuale Prinzipien angelegte Richterwahlverfahren oder deren Amtszeitbegrenzung auf zwölf Jahre in einem „einfachen“ Gesetz, wie es im Karlsruher Sprachgebrauch heißt: dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz, das mit den Stimmen der Parlamentsmehrheit jederzeit geändert werden kann. Während es für das Grundgesetz einer Zweidrittelmehrheit bedarf.

Es gibt auch einen Anlass, denn am 23. Mai wird das Grundgesetz 75 Jahre alt. Allerdings wirkt die plötzliche Rezeption der in Fachkreisen seit Jahren diskutierten Vorschläge einschließlich der Einigkeit von Ampel und Union nicht so, als sei dies als Geschenk gedacht.

Vielmehr soll es darum gehen, das Gericht gegen Einflüsse des Rechtspopulismus zu immunisieren, der in Deutschland Parteigestalt angenommen hat. Befürchtet wird der Staatsumbau mit legalen Mitteln. Möglich auch, dass das Projekt als Symbol dienen soll, dass die Bundesrepublik dem Erstarken unfreundlicher Strömungen nicht tatenlos zusieht.

Es ist nur so: Politik und Verfassungsgericht gehören zusammen, sie unterliegen als demokratische Institutionen Wechselwirkungen und müssen füreinander offen sein. Daran ist nichts verwerflich, so lange es hinreichend transparent geschieht.

Bei manchen Usancen, auch bei Richterwahlen, wird man zuweilen zweifeln dürfen. Es ist okay, die AfD im Bundestag irgendwie kleinzuhalten. Aber wie okay ist es, sie auf Dauer von den Runden auszuschließen, in denen das Gerichtspersonal besetzt wird?

Ohnehin birgt der Vorteil, jede Änderung von einer Zweidrittelmehrheit abhängig zu machen, das Risiko, dass das verbleibende Drittel zur Blockademacht wird. Um das zu verhindern, bedarf es neuer Mechanismen in der Staatsorganisation – und bestenfalls einer gründlichen politischen Debatte darüber.

Kommt die jetzt? Hatten wir sie schon? Man weiß es nicht. Es gibt auch Gründe, warum Regeln zum Gericht bisher nicht im Grundgesetz stehen. Es wäre leichtfertig, sie vom Tisch zu wischen, weil es die AfD gibt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false