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Athen hat die notwendigen Reformen nicht konsequent angepackt, meint Gerd Höhler.

© dpa

Sorge um Athen: Die Griechen scheuen den Reform-Ruck

Nicht die Sparpolitik ist die Ursache der griechischen Probleme, sondern der Reformstau. Die Privatisierung kommt nicht voran. Der Grund dafür sind Korruption und Gefälligkeiten.

Seit zweieinhalb Jahren hält das griechische Drama die Welt in Atem. Nicht nur die Euro-Zone und die EU, Politiker und Finanzstrategen rund um den Erdball blicken besorgt nach Athen. Mit dem Besuch der Troika in der griechischen Hauptstadt scheint sich der Vorhang zum letzten Akt der Tragödie zu heben. Die Gläubiger verlieren die Geduld. Sie drohen, dem Land den Geldhahn zuzudrehen. Dann wäre Griechenland binnen weniger Wochen pleite. Der Austritt Athens aus der Euro-Zone wäre die wahrscheinliche Folge einer Insolvenz. Auch wenn manche diesen Schritt inzwischen für beherrschbar halten, könnte er Schockwellen um den Globus senden.

Fast ein Dutzend Krisengipfel haben die EU-Politiker seit Beginn der griechischen Krise absolviert, sie schnürten zwei Hilfspakete und erließen Schulden in Milliardenhöhe. Aber gebracht haben die Rettungsversuche wenig. Griechenland stürzt immer tiefer ab. Die Troika wird ihren Prüfungsbericht wohl erst Anfang September vorlegen, aber schon jetzt steht fest: Die Delegationschefs der EU-Kommission, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank werden den Griechen kein gutes Zeugnis ausstellen. Zwei Wahlkämpfe haben das Land drei Monate lang politisch gelähmt. Bei der Umsetzung der Reformauflagen gerät Athen immer weiter in Rückstand.

In Griechenland macht man vor allem die harten Konsolidierungsauflagen für den Zusammenbruch der Wirtschaft verantwortlich. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die Rezession ist auch ein Resultat der Reform-Versäumnisse. Beispiel Privatisierungen: Fünf Milliarden Euro versprach 2011 die damalige sozialistische Regierung mit dem Verkauf von Staatsunternehmen zu erlösen. Tatsächlich kamen nur 1,8 Milliarden in die Kasse. Für dieses Jahr stehen 27 Privatisierungsprojekte auf dem Programm. Umgesetzt wurde davon bisher kein einziges.

Politische Freunde werden mit lukrativen Jobs versorgt

Der Stillstand ist vor allem politisch bedingt: In den meisten Parteien gibt es starke Widerstände gegen einen Rückzug des Staates, die Staatsbetriebe sind wichtige Pfründen. Sie ermöglichen es, politische Freunde mit lukrativen Jobs zu versorgen. Auch die versprochene Öffnung der sogenannten geschlossenen Berufe kommt nicht voran – Hunderte Tätigkeiten, die dank staatlicher Regulierung praktisch vom Wettbewerb abgeschottet sind. Ökonomen rechnen vor, dass eine Öffnung ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozentpunkten freisetzen könnte. Aber die Politiker scheuen die Konfrontation mit den Zünften und Kartellen.

Der Reformstau zeigt: Die Ursachen der griechischen Misere liegen im politischen System. Die Krise wurzelt in den Klientelstrukturen, einem Korsett aus Korruption und Gefälligkeiten, das seit Jahrzehnten jede Veränderung verhindert. Solange die griechischen Politiker nicht wagen, diese Strukturen zu zerschlagen, wird das Land seine Probleme nicht bewältigen. Es müsste ein Reform-Ruck durch das Land gehen. Doch selbst im Angesicht der drohenden Staatspleite ist davon wenig zu merken.

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