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Klaus Wowereit lässt sich feiern. Unter den zahlreichen Geburtstagsgästen im Abgeordnetenhaus war natürlich auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh.

© dpa

Rückzug als SPD-Parteivize: Ein neuer Wowereit ist nicht in Sicht

Klaus Wowereit zieht sich als stellvertretender SPD-Chef zurück. Sein Abschied auf Raten macht auch eines deutlich: Die Stadt hat keine gewichtige Stimme mehr im Bund.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es wird Zeit, an Willy Brandt zu erinnern. Der große Deutsche, der auch ein großer Berliner war. Regierender Bürgermeister während des Mauerbaus, Bundeskanzler – und SPD-Parteichef über 23 Jahre lang. Ein Mann, der wie kaum ein anderer für das geteilte Berlin stand, aber genauso überzeugend für die zusammenwachsende Stadt. So einen bräuchte die deutsche Hauptstadt wieder, die schwere Zeiten hinter sich hat. Und spannende Zeiten vor sich.

Stattdessen haben wir Klaus Wowereit. Das ist gar nicht so schlecht wie jene meinen, die immer nur auf die Baustelle BER starren. In den vergangenen zwölf Jahren hat der SPD-Mann als Regierungschef tiefe Spuren hinterlassen. Kleine Fußstapfen sind es nicht, in die wahrscheinlich 2016 andere Repräsentanten der Hauptstadt treten müssen. Es wäre vermessen, Wowereit in einem Atemzug mit Brandt zu nennen. Aber seit 2001 ist er das Gesicht Berlins, das fast alle Deutschen kennen. Immerhin.

Jetzt aber zieht sich der Regierende Bürgermeister aus dem Parteivorstand der SPD zurück. Das gehört, auch wenn er es nicht zugibt, zum behutsamen Rückzug aus der Politik auf Raten. Qua Regierungsamt wird Wowereit die wachsende und erstarkende, trotzdem finanziell und wirtschaftlich immer noch schwache Hauptstadt weiterhin im Bund vertreten. Doch mit unverkennbar leichterem Gewicht. Einer von vielen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten.

Das eigentliche Problem ist aber: Es folgt niemand nach, der Wowereits Schuhgröße hat. Nicht in der SPD, aber auch nicht in den anderen Berliner Parteien. Im Präsidium der Bundes-CDU sitzt Emine Demirbüken-Wegner. Als Staatssekretärin für Gesundheit im Berliner Senat hat sie den Zenit ihrer politischen Karriere wahrscheinlich erreicht. Bei den Grünen verabschiedet sich gerade Renate Künast, ehemalige Bundesministerin und Fraktionschefin im Bundestag, zwangsläufig in den Ruhestand.

Gregor Gysi bleibt dem politischen Zirkus rund um das Reichstagsgebäude zwar erhalten, aber er steht für Gregor Gysi, nicht für Berlin oder wenigstens für den Landesverband der Linken. Da ähnelt er dem früheren SPD-Parteivize Wolfgang Thierse, dem die Bundespolitik alles, das hauptstädtische Leben und dessen Probleme aber meistens herzlich egal waren. Bliebe noch Martin Lindner, der volltönende Lautsprecher der Berliner Liberalen. Das Schicksal der Hauptstadt sollte man lieber nicht mit seinem Namen verbinden.

Jetzt wird es Zeit, an Hans-Jochen Vogel zu erinnern. Einst war er Oberbürgermeister von München und kam 1981 in das noch geteilte Berlin, um der gebeutelten Stadt auf die Beine zu helfen. Nur wenige Monate hatte der gelernte Bayer damals Zeit, in preußischer Pflichterfüllung im Rathaus Schöneberg auszuhelfen. Er tat es mit einer Hingabe und bundespolitisch weit sichtbaren Präsenz, die jedem Berliner heute noch Tränen der Rührung und Dankbarkeit in die Augen treiben muss.

So einen bräuchten wir bald wieder. Dann, wenn Schluss ist mit Wowereit und sich zwischen Spree und Havel immer noch keiner zu erkennen gibt, der das nötige Talent und Format mit sich bringt, um die politische Schlagkraft der Hauptstadt ihrem historischen und politischen Gewicht endlich anzupassen. Es muss ja kein Roter sein, Schwarz oder Grün geht auch.

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