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Polizisten lösen eine Aktivistin der Gruppe „Letzte Generation“ von der Kreuzung Frankfurter Tor.

© Christian Mang / CHRISTIAN MANG

Erpressung ist kein Protest: Die „Letzte Generation“ hat sich verklebt

Mit ihren riskanten Blockaden haben die Klima-Aktivisten jede Sympathie verspielt. Noch beschränkter als ihre Aktionen sind nur Ideen der Union, sie dafür härter zu bestrafen.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Spätestens mit dem tragischen Tod einer Radfahrerin im Berliner Stadtverkehr geschah etwas, das oft geschieht, wenn politischer Protest gegen Gesetze verstößt, um seine Ziele zu erreichen. Aus der politischen Debatte wurde eine rechtliche.

Das kann hilfreich sein und Perspektiven weiten, wie sich etwa an der Verrechtlichung des Klimaschutzes insbesondere mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2021 erwies. Es kann aber auch in eine Richtung gehen, wie sie Oppositionsführer Friedrich Merz und seine Union mit ihrem Antrag „Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen – Menschen und Kulturgüter vor radikalem Protest schützen“ als Mittel gegen die Klima-Kleber der vermeintlich „Letzten Generation“ im Bundestag eingeschlagen haben. Direkt in die Sackgasse.

„Härter bestrafen“, das ist von allen politischen Ideen zur Lösung gesellschaftlicher Konflikte die traditionell beschränkteste. Hier ist sie besonders beschränkt. Denn die Aktivisten sind keine Kriminellen im üblichen Sinne, sondern sie bedienen sich des Rechtsbruchs als Symbol.

Als Akt zivilen Ungehorsams sollen die Straßenblockaden deutlich machen, dass es Bedeutsameres gibt als den frei fließenden Verkehr. Für diesen Protest können sie ihrerseits sogar ein Grundrecht beanspruchen: die Versammlungsfreiheit.

Überzeugungstätern dieser Sorte mit „härteren Strafen“ das Handwerk legen zu wollen, ist in einer Weise naiv, die man Friedrich Merz gar nicht zugetraut hätte. In Bayern nehmen die Protestler sogar mehrwöchigen polizeilichen Präventivgewahrsam in Kauf, ohne sich – soweit bekannt – dagegen vor Gericht zu wehren.

Solche Leute sollen „härtere Strafen“ zur Einkehr bewegen? Eher im Gegenteil, sie würden sich aufgewertet fühlen. Merz geht es hier nicht um Besserung der Situation, sondern um Beifall vom Publikum.

Die Klima-Kleberei war von Anfang an weder legal, noch ist sie legitim. Die Aktivisten wollen mit ihrem Handeln nicht nur Autofahrer nötigen, sie wollen – vor allem – die Politik erpressen.

Jost Müller-Neuhof

Die Klima-Kleberei war von Anfang an weder legal, noch ist sie legitim. Die Aktivisten wollen mit ihrem Handeln nicht nur Autofahrer nötigen, sie wollen – vor allem – die Politik erpressen. Damit verlassen sie, nachdem sie das rechtsstaatliche schon verlassen haben, auch das demokratische Feld, auf dem ziviler Ungehorsam, der Rechtsverstoß im Namen einer höheren Moral, noch irgendwelche Akzeptanz finden könnte. Anders gesagt: Die Damen und Herren, vom Alter her wohl teils auch aus der vorletzten Generation, haben überzogen.

Entweder wird der menschengemachte Klimawandel mit demokratischen Mitteln bekämpft oder gar nicht.

Was ist zu tun? Es wäre zu begrüßen, das politische Sympathisantentum bis hinauf ins Parlament würde deutliche Worte finden, sich von diesem Tun abzugrenzen. Entweder wird der menschengemachte Klimawandel mit demokratischen Mitteln bekämpft oder gar nicht.

Doch aus denselben Gründen, aus denen die Union ihre verzichtbaren Verschärfungsvorschläge gemacht hat, wird dies im umweltpolitisch bewegteren Lager weiter links unterlassen. Weniges ist so bedeutsam wie die eigene Anhängerschaft.

Im Übrigen darf auf die Kapazität der Justiz vertraut werden. Es gab milde Strafen für die Protestler, es könnte künftig härtere geben. Die gesetzlichen Strafrahmen sind weit genug dafür. Im Fall der getöteten Radfahrerin prüft die Staatsanwaltschaft sogar einen Anfangsverdacht auf eine fahrlässige Tötung gegen die Aktivisten; nun kommt noch der Vorwurf hinzu, die „Letzte Generation“ bilde eine kriminelle Vereinigung.

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Sollte es Situationen geben, in denen Menschen durch verzögerte Rettungseinsätze zu Schaden oder zu Tode kommen, sind harte und – wenn auch theoretisch – sogar härteste Strafen denkbar. Neue Gesetze braucht es dafür keine.

Die Justiz wird auch den Fahrweg des Betonmischers genau betrachten, dem die Radlerin zu nahe kam. In solchen Fällen sind ebenfalls harte und sogar härteste Strafen denkbar. Im Straßenverkehr kann man schnell zu Tode kommen. Die Urteile gegen die Kudamm-Raser haben aber auch gezeigt, wie schnell man hier zum Mörder werden kann.

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