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Plakat zum Volksentscheid Berlin 2030 Klimaneutral.

© IMAGO/A. Friedrichs

Update

Kann Berlin bis 2030 klimaneutral werden?: Das meint die Tagesspiegel-Community zum Volksentscheid

Autos abschaffen oder Braunkohle weiter verfeuern? Könnte der Volksentscheid Berlin finanziell ruinieren? Ein Pro und Kontra unserer Online-Leser.

| Update:

Am Sonntag ist es soweit. Berlin stimmt ab, ob es bis 2030 Klimaneutral werden soll. Intensiv diskutiert und gestritten wird dazu schon seit Wochen in den Kommentarspalten. Gute Argumente haben Befürworter wie auch Gegner des Volksentscheids. Welche Chancen und Risiken unsere Community dabei erkennt, lesen Sie hier in einer redaktionellen Auswahl unserer Leserkommentare.


Pro

Grossstadtberlinerin
Auch ich glaube nicht, dass alles Notwendige bis 2030 geschafft sein wird. Aber wir werden weiter sein als ohne Klimagesetz. Bis 2045 sind es noch 4 Legislaturperioden - so weit denken Politiker (und auch wir Wähler) nur selten. Da kann man vieles aus den Augen verlieren oder bewusst auf die lange Bank schieben.

Wer heute allen Ernstes noch eine Autobahn durch Berlin bauen will, wer nicht eine Bevorzugung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes vorantreibt, wem Parkplätze wichtiger sind als Bus- und Radspuren, dem glaube ich nicht sein Bemühen um einen schnellen klimagerechten Stadtumbau.


Jochen_Furthler
Klar ist, dass Berlin so schnell wie möglich an Klimaneutralität herankommen muss. Warum? Wegen des Klimas, aber auch um eine regionale, weniger krisenanfällige Energieversorgung zu gewährleisten.

Eine kluge Strategie dazu, die nicht von einer Legislaturperiode zur nächsten stolpert, wird für eine effiziente integrierte Planung sorgen (siehe dänische Wärmewende, ein Glanzstück der Politik). Eine integrierte Strom-Wärme Planung, eine regionale Partnerschaft mit Brandenburg. Lokale Wertschöpfung. Wer ignoriert, dass Deutschland gerade 200 000 Millionen Euro (!) bereitstellen muss, damit wir die explodierenden Gas- und Stromkosten im Rahmen halten können, ist mehr als kurzsichtig und egoistisch für die eigene Generation.

Das Fraunhofer-Institut hat berechnet, dass Berlins Fernwärme für vier Milliarden klimaneutral gemacht werden kann. Die meiste Wärmeenergie wird lokal gewonnen.


Meerwind7
Ich arbeite seit 32 Jahren als Dipl.-Ing. im Bereich Energie- und Rohstoffwirtschaft. Es ist ohne weiteres möglich, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen. Es braucht dazu eine Mischung aus moderater Energieeinsparung, Energie aus der Region (v.a. Solarstrom) und Energie vom Weltmarkt (es gibt genügend Projekte, die auf Abnehmer warten, um loslegen zu können), dazu eine Mischung der Energiespeicher (Batterien, Wasserstoff, thermische Kurzzeitspeicher, saisonale thermische Speicher).

Es wird nur mit der Dynamik der Privatwirtschaft gelingen. Dazu braucht der Senat Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen. In sieben Jahren haben Länder wie China ihre gesamte Wirtschaftskraft verdoppelt, da sollen wir nicht in der Lage sein, einen kleinen Teilsektor der Wirtschaft umzubauen?


Sciaridae
Manchem scheint etwas mulmig zu werden, bei der Vorstellung, sich mit der Realität zu befassen und das eigene Leben etwas umstellen zu müssen, um einen wichtigen Schritt Richtung Erhalt unserer Lebensgrundlagen voranzuschreiten. […]

Ich denke nicht, dass das Ziel zu erreichen sein wird, dafür wurde die letzten Jahre zu sehr auf die Bremse getreten, um Wenigen die Pfründe zu sichern und den Plebs mit unumgänglichen Veränderungen im Lebensstil nicht gegen sich aufzubringen. Wie manche sich hier zum Thema einbringen, spricht Bände.

Dennoch halte ich es für sinnvoll und richtig, endlich mal Tempo zu machen und das wird nur mit Druck auf die Politik möglich sein, einer Politik, die am liebsten den Weg des geringsten Widerstands geht. Ohne den konkreten, glasklaren Auftrag vom Wähler wird das doch wieder nichts...


Thun
Wenn die Mehrheit Klimaschutz will, dann spricht nichts dagegen dieses Ziel anzuvisieren, denn was wir momentan erleben ist, dass an allen Ecken und Enden effektive Maßnahmen zum Klimaschutz sabotiert oder konterkariert werden.

Braunkohle wird abgebaut und verfeuert, damit Geld gescheffelt werden kann und Rechnung zahlen unsere Kinder. Auto-Ökorichtlinien werden so umgeschrieben, dass große Autos mit 9-15l Verbrauch als umweltfreundlich gelten gegenüber einem 5l Auto.

Der Staat hat die Pflicht, seine Bürger zu schützen. Er tut das mit Regeln wie Tempolimits und anderen Verboten. Da ist nichts Undemokratisches dran.


Urbi_et_Orbi
Was um alles in der Welt kann, soll und muss man denn tun, um endlich von der Politik eine ernsthafte, stabile und verlässliche Umsetzung der seit Jahrzehnten bekannten Vorgaben umzusetzen. Denn alles, was bisher passiert ist, sind schöne Worte. Seit 1998 reden wir über die Energiewende und haben so viel geschafft, was auch in 5 Jahren möglich gewesen wäre.

Wir lernen jetzt mit großem Schmerz, dass autarke Versorgung nicht in erster Linie für die in den Augen der wählenden Mehrheit dummen Jugend (denn man selbst hält die Folgen des Klimawandels in der gut situierten Restlebenszeit ja locker aus) gut ist, sondern im Sinne der „Freiheitsenergien“ für uns alle eine Grundbedingung für das weitere Funktionieren unserer freien Gesellschaft darstellt.

Und noch immer wird nicht entsprechend gehandelt! Von daher stimme ich mit Ja, weil ich das höher priorisiere als die genannten Risiken. Abgesehen davon ist das politische System in Berlin sowieso kaputt und ich gehe davon aus, dass auch dieser Volksentscheid am Ende des Tages nur ein wenig mehr moralischen Druck auf die Entscheider legen wird. Aber ich mache alles, was helfen könnte.


Kainman
Erfahrungen mit der Politik zeigen, dass man Unmögliches verlangen muss, damit sich überhaupt etwas bewegt. Ein Volksentscheid kann entsprechenden Druck und Verbindlichkeit erzeugen, Alles andere kann man vergessen (s. Pariser Klimaabkommen 2016).


Micky64
Natürlich ist Klimaneutralität bis 2030 nicht zu schaffen. Allerdings ist die bisher geltende Hausnummer 2045 noch ziemlich weit entfernt. So weit entfernt, dass jeder aktuell in Verantwortung stehende Politiker sich einen Kehricht darum scheren wird - Das ist ja erst etwas für folgende Politiker-Generationen. Warum sich jetzt damit herumschlagen?

Falsch! Allein um solchen Gedankenspielen Einhalt zu gebieten, muss Druck aufgebaut werden. Politiker müssen gezwungen werden, zu handeln. Das auf die lange Bank schieben funktioniert vielleicht beim Frühjahrsputz - für unsere Kinder und Kindeskinder wäre es eine Tragödie.


Kontra

Chotschas
Wir haben fünf Jahre gebraucht, um die Dämmung einer Geschossdecke und einer Brandwand genehmigt zu bekommen. Dieses Jahr bauen wir hoffentlich. Wie der gesamte Gebäudebestand in Berlin in 6 1/2 Jahren CO2-neutral gemacht werden soll, ist mir ein Rätsel. Denn wenn ich an all die Gasthermen, ungedämmten Gebäude, Milieuschutz, Bauämter, Bezirksverwaltungen und die unbegrenzte Menge an Dogma denke, dann bekomme ich schon Depressionen. Viel Spaß.


Maxost
Der Volksentscheid scheitert, weil das Quorum nicht zustande kommt, und Berlin wird durch den vertrauten Wesenszug der Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit der Nichtwähler auf wunderbare Weise vor den Folgen dieser irren Kampagne gerettet. […] Der Volksentscheid ist ein surreales Vorhaben, dessen Erfolg Berlin finanziell völlig ruiniert, die Wohnungsnot in noch ungeahnte Dimensionen katapultiert, Arbeitsplätze durch Deindustrialisierung vernichtet und die städtische Infrastruktur zerstört.


FrankNFurter
Warum, wenn man sich die Mühe macht einen Volksentscheid herbeizuführen, ist man nicht in der Lage, zeitlich und finanziell umsetzbare Maßnahmen zu formulieren? Ich will auch nicht irgendwie aus „Sympathie“ für eine Sache stimmen, die hinten und vorne nicht funktioniert. Ich bin sehr für konkreten Klimaschutz, aber von mir gibt es am Sonntag ein „Nein“.


Charybdis66
Die Hände in den Schoß zu legen, ist schlecht. Einfach etwas per Gesetz aber zu beschließen, was nicht funktionieren kann, wenn mindestens ansatzweise etwas von dem Sozialwesen Berlin übrigbleiben soll, […] ist aber auch kontraproduktiv. Wird das Gesetz am Ende gebrochen, damit auch die Bürger, die nicht ganz so viel Geld haben, noch ein bisschen bequem leben können, wird natürlich geklagt ohne Ende.

Wird alles getan, um das Gesetz zu halten, wird das allerdings auch brutale Folgen für die Bewohner dieser Stadt haben. Dann gibt’s nämlich für die nächsten sechs Jahre wirklich nichts anderes als „Klimaschutz“. Die Extrempunkte sind oft schlecht, wenn sie verpflichtend werden. Das Gesetz ist einer dieser Extrempunkte. Das Nichtstun der andere. Von beiden ist abzuraten. 

Insofern ist übrigens in meinen Augen eine Ablehnung des Volksbegehrens auch nicht gleichzusetzen mit der Aufforderung, gar nichts zu tun.


Uwe@B
Die Initiatoren haben einen riesigen Fehler gemacht. Ich stimme völlig überein, dass schnelles Handeln notwendig ist. Aber man muss auch konstatieren, dass es für sehr viele Menschen wohl nicht möglich sein wird, ihren Lebensstandard zu halten. Das nicht deutlich auszusprechen und stattdessen auf Ausgleich durch den Staat (bzw. Landeshaushalt) zu pochen ist der Kardinalfehler. Wirklich Bedürftigen soll geholfen werden, aber mit Augenmaß. Deshalb stimme ich mit NEIN.


Mcgyver
Um tatsächlich Klimaneutralität zu erreichen, müssten die Berliner ihre Autos abschaffen und auf den ÖPNV umsteigen. Schon allein deshalb muss dieser Volksentscheid gekippt werden.


Dinsdale
Ich kann jedem nur raten, mit Nein zu stimmen. Man rettet weder „das Klima“, noch wird man die zu erwartenden klimatischen Veränderungen hierzulande nennenswert beeinflussen können. Irreale Ziele zu setzen bindet Ressourcen und ist höchst ineffizient. Natürlich sind alle sinnvollen Maßnahmen wie Ausbau der PV usw. damit nicht vom Tisch.

Aber vielleicht sollte man mal auch daran denken, dass bspw. marode Schulgebäude vorrangig überhaupt in einen angemessenen Zustand gebracht werden sollten. Sofern es sinnvolle energetische Maßnahmen gibt, kann man diese dann auch parallel ausführen. Aber es bleibt einfach illusorisch, Klimaneutralität zu erreichen. Außer Berlin wird entvölkert und zur verbotenen Zone gemacht. Dann ja. Und nein, unsere Kinder werden nicht sterben. Sie werden aber mit veränderten Bedingungen klarkommen müssen. Und man wird sich zwingend an diese anpassen müssen, weil es eben nicht wie beim sauren Regen oder bei Gewässerverschmutzung reicht, die lokalen Emissionen zu beseitigen.

Es gibt eben 3 Mrd. Chinesen und Inder, die noch fleißig mit Kohle feuern. Und nein, das Argument, wir haben einen Großteil der Emissionen verursacht in der Industrialisierung hilft hier auch nicht. Denn niemand hat eine Zeitmaschine. Wir können schlicht nicht überproportional CO2 einsparen, um 150 Jahre Industrialisierung auszugleichen. Der größte Hebel liegt leider in den genannten Ländern. Es gibt auch (noch) keine effizienten Technologien, die in großem Maßstab CO2 aus der Atmosphäre filtern. Wobei einsparen und einlagern im Falle von Kohlekraftwerken in China/Indien vermutlich immer noch eine bessere Lösung wäre als nichts zu tun.

Wenn wir überproportional Geld investieren, um vielleicht 10% einzusparen, was mit den gleichen Mitteln in viel größerem Maßstab anderswo Einsparungen zu Folge hätte, die vielleicht in der Größenordnung des ganzen Landes liegen können, dann ist das einfach ökonomisch und sozial unsinnig.



DeoEtPatriae
2030 - kein Problem. Berlin muss hier endlich seine Vorreiterrolle annehmen, damit alle anderen Städte dieser Welt diesem progressiven Beispiel nacheifern können! Berlin war schon immer ein Meister der großen Projekte. Mit so Kleinigkeiten wie einer funktionierenden Verwaltung, modernen Schulen oder gepflegten Parks geben wir Berliner uns doch gar nicht erst ab. Und Finanzen ... von solchen Petitessen lassen wir uns unsere Visionen doch nicht stören. Größenwahn und Klimanotstand - det is unsa Berlin!

Zusammengestellt von Atila Altun

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