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Kontrapunkt: Steinbrück muss seine Partei nerven

Viele rümpfen die Nase darüber, dass Peer Steinbrück mit Altkanzler Helmut Schmidt durch die Lande tingelt und für seine Kanzlerkandidatur wirbt. Dabei bleibt dem Sozialdemokraten gar nichts anderes übrig, als mit Krach auf sich aufmerksam zu machen.

Die Lage ist unübersichtlich, der Frontverlauf reichlich verworren; ein paar Geschlagene sind bereits zu beklagen, andere Kombattanten haben sich schon aus dem Staub gemacht. Die Generäle blicken vermeintlich konzentriert, leicht gebeugten Rückens, von oben auf das Schlachtfeld hinab, und doch entgeht ihnen ein wichtiges Detail: Es liegt verkehrt, das Schachbrett, an dem sich Helmut Schmidt und Peer Steinbrück für das Cover-Foto ihres Buches „Zug um Zug“ zusammengesetzt haben, verdreht um neunzig Grad – das Quadrat unten rechts ist schwarz statt weiß, ein Anfängerfehler.

Es gibt nicht wenige, denen das selbst nicht aufgefallen wäre, die aber nun voller Häme diesen Zug kommentieren: Und so einen seltsam unaufmerksamen Spieler mit aufgesetzter Durchblickerattitüde hält der alte König Helmut für fähig und würdig, Nachnachnachfolger seiner selbst zu werden? Steinbrück – nur ein Bauer, früh gezogen, früh gefallen?

Doch welch eine Überraschung am Donnerstagmorgen, als die neue „Zeit“ erscheint, das Hausblatt Schmidts, dessen Herausgeber er seit bald dreißig Jahren ist: Auf dem Titel dasselbe Spiel, dieselbe Fotografin, nur eine andere Szene, offenbar kurz nach der Eröffnung abgelichtet – doch hier liegt Schwarz plötzlich unten links, da, wo es hingehört. Was ist geschehen? Eine Retusche, aufwendig zwar, aber möglich? Das Bild gekontert, Steinbrück ist Schmidt, Schmidt ist Steinbrück, einerlei, wer Kanzler wird von den beiden, da es ja eh nur beide zusammen werden? Am Ende alles eine Camouflage?

Es sind solcherlei Kleinigkeiten, die auf der politischen Bühne ausgeweidet und seziert werden, wie auch die Stilfragen: ob Steinbrücks Vorstoß abseits der heiligen sozialdemokratischen Gremien, aber mit Helmut Schmidts Segen, nur dreist oder auch noch dämlich ist. Das große Publikum delektiert sich derweil am Auftritt der beiden: Fast sechs Millionen sahen ihnen bei Günter Jauch zu, viel mehr als der Kanzlerin an gleicher Stelle einige Wochen zuvor. Dass es mehr an Schmidt liegt als an Steinbrück – geschenkt, aber der Altkanzler unterstützt nun mal ihn und nicht einen anderen.

Aber auch ohne Schmidts Unterstützung lief es ja gut für Merkels früheren Minister. Seine Expertise ist zwar zuweilen umstritten, aber geschätzt, auch, weil Steinbrück durchaus schon mal sagt, was er sich nicht zutrauen würde, Banker zum Beispiel. Aber Kanzler, das kann er, meint er, sagt Schmidt, denken immer mehr Leute. Nur sind die eben oft nicht organisiert in der SPD. Martin Walser zum Beispiel hat Steinbrücks vorletztes Buch „Unterm Strich“ geradezu hymnisch besprochen, auch, weil es weitgehend erfrischend frei ist vom politischen Angriffs- und Verteidigungssprech.

Es stimmt, was gegen ihn vorgebracht wird. Steinbrück hat noch keine wichtige Wahl gewonnen – aber auch Gabriel und Steinmeier ist das nie geglückt. Steinbrück ist kein Gegenentwurf zu Merkel – aber auch Gabriel und Steinmeier waren Minister bei ihr. Steinbrück ist vielleicht ein bisschen zu alt für die Fron der Kanzlerjahre – aber die Leute würden das Amt ja noch Schmidt zutrauen. Und auf die kommt es an: die Leute.

Sigmar Gabriel, Parteivorsitzender der SPD und damit formal Kanzlerkandidatenbenenner, würde seine Partei gerne öffnen für Nichtmitglieder, lebendiger machen, Entscheidungen absichern, indem auch Menschen angehört werden, bei denen kein rotes Buch unterm Kopfkissen liegt. Hätte sich Gabriel durchgesetzt. liefe es glatt auf Steinbrück hinaus. Hat er aber nicht. Doch so ist Steinbrücks einzige Chance, das zu tun, was er tut: Druck von außen aufbauen, reden, schreiben, nerven, Letzteres vor allem die eigene Partei. Stellt er sich nur brav an, kommt er vielleicht mal dran, wenn er so alt ist wie Helmut Schmidt heute. Und dass er von Merkels Politik nicht sehr weit entfernt ist, mag manchen Sozialdemokraten grämen, viele Wähler aber womöglich erfreuen. Nicht alles anders, aber vieles besser machen. Genau so, mit dieser Parole, lassen sich Wahlen gewinnen. Gerhard Schröder hat es gezeigt.

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