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Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE.

© dpa / dpa/Kay Nietfeld

Noch ein Aspekt zu Döpfnergate: Warum so ordinär, Herr Vorstandschef?

Wer die geleakten Chatmitteilungen des Axel-Springer-Topmanagers las, fand Grobheiten wie „Ficken“ und „Wichser“. Geht natürlich gar nicht? Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Ariane Bemmer

Es wurde schon viel geschrieben über die geleakten Chat-Nachrichten von Springer-Chef Mathias Döpfner. Die Aufregung galt seiner Ossi-Feindlich- und FDP-Freundlichkeit, seinen Einflussnehmereien auf redaktionelle Inhalte und seiner Unterwürfigkeit gegenüber den Amerikanern, die viele Anteile am Konzern halten.

Was nicht vorkam, aber nicht unerwähnt bleiben soll: Mathias Döpfner, einer der bedeutenderen Manager, die Deutschland zu bieten hat, wird ordinär, wenn er sich ärgert. Er schreibt dann „Ficken“ und „Wichser“, und man kann sich nur wundern.

Döpfner, ist der nicht der kultivierte Herr aus guten Verhältnissen, der immer so kunstsinnig daherkommt? Und dann solche Ausdrücke? Von Loriots Vicco von Bülow nicht vorstellbar! Was war da denn los?

Döpfner ist nicht der erste Schlag ins Kontor jener, die an den Spitzen von was auch immer ein höheres Maß an Beherrschung angenommen haben, als sie selbst im Stau aufbringen. Die mit dem Elefantengedächtnis erinnern sich an Sebastian Kurz. Der junge Mann mit den tadellosen Manieren war Österreichs Regierungschef, bis 2021 herauskam, dass er Medien für positive Berichterstattung besticht. Auch dazu gab es geleakte Chats, in denen sein Gegenspieler „der Arsch“ war.

Der Rückgriff aufs Vulgäre zeigt zum einen, dass an der zur Schau gestellten Vornehmheit viel Tünche war, die sofort abplatzt, wenn Druck im Kessel ist. Und dass der Druck hoch ist, darf man annehmen. Also ist der Ausfall vor allem auch verständlich, finden die Toleranten.

Ganz oben ist es zudem bekanntlich einsam. Vielleicht hat Döpfner in einer gefühlten Anschluss-Mangellage durch verbale Fraternisierung Kontakt mit unten gesucht: Seht her, ich bin auch bloß ein Rüpel wie ihr.

Frage: Würde die Queen so etwas auch tun?

Die Fraktion Etepetete wird dem nicht folgen. Sie hängt trotz Dieter Bohlen und Donald Trump der Vorstellung an, dass zum Erfolg ein gewisses Benehmen gehört. „Würde die Queen das auch tun?“, fragt sie und geht auf Abstand, wenn die Antwort „nein“ lautet. Bei „Ficken“ oder „Wichser“ ist ihr Urteil schnell gefällt: Mathias Wer?

Andere sehen in den Grobheiten vielleicht eine völlig überflüssige Machtdemonstration. Motto: Ich hier oben kann herumchatten, wie es mir gefällt, weil ich Rücksichtnahme schlicht nicht mehr nötig habe, und ihr armen Würstchen könnt da auch gar nichts dagegen tun.

Und dann gibt es noch jene, die bei der Lektüre in Jubel ausbrachen. Ist das nicht der Beweis dafür, dass es diese ganzen Förmlichkeiten für die richtig dicken Chefposten überhaupt nicht braucht? Wer eilig aufsteigen will, kann bei Knigge künftig viel Zeit sparen.

Wer Recht hat? Schwer zu sagen. Aber es könnte den Umgang mit „denen da oben“ sehr entkrampfen, wenn man sich berechtigterweise vorstellt, dass die, sobald sie sich unbeobachtet wähnen, genau solche Proleten sind wie man selbst. Auch das ist Egalitarismus. Oder frei nach Döpfner: Scheiß drauf.

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