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Richter mögen es offenbar nicht, kontrolliert zu werden.

© dpa/Uli Deck

Zweifel an Unparteilichkeit von Richtern: Warum Loyalität in der Justiz Grenzen haben muss

Eine verurteilte Mörderin hat sich zehn Jahre durch die Instanzen geklagt, weil sie ihren Richter für voreingenommen hält. Das hätte in Deutschland nicht passieren dürfen.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Es ist nicht so einfach, in der Bundesrepublik wegen Mordes verurteilt zu werden. Staatsanwälte prüfen und dürfen nur anklagen, wenn sie sich sicher sind. Und Richter nur schuldig sprechen, wenn sie das Verfahren unparteilich geführt haben und die Beweise keinen Zweifel mehr zulassen.

Zweifel kann es auch an der Unparteilichkeit geben: Etwa, wenn ein Richter schon zuvor an einem Verfahren mitgewirkt hat, bei dem es um den Mordfall ging. Wie bei Salina M., die ihren Ehemann getötet haben soll. In einem ersten Prozess war deswegen nur ihr früherer Lebensgefährte rechtskräftig verurteilt worden, sie selbst war bloß Zeugin. Doch bereits in diesem Urteil gab es Hinweise auf eine mögliche Tatbeteiligung der Frau. Später stand sie selbst vor Gericht, vor demselben Richter.

Nichts sollte der Justiz so wichtig sein wie das öffentliche Vertrauen in ihre Unparteilichkeit. Doch hier zeigt sich, dass anderes wichtiger ist: Der eigene Glaube in ihre Unfehlbarkeit.

Jost Müller-Neuhof

Zweifel an der Unparteilichkeit? Selbstverständlich. Der Richter war ja schon mit der Sache befasst und hatte seine Meinung. Eine Verurteilung war im Prinzip unausweichlich.

Ist das fair? Ja meinten die deutschen Gerichte bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht. Nein, entgegnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Egal, entschieden daraufhin die deutschen Gerichte und lehnten eine Wiederaufnahme des Verfahrens trotzdem ab, mit Unterstützung sogar durch den Generalbundesanwalt. Sie alle wollten alles besser wissen. Erst das Bundesverfassungsgericht ist jetzt in einem neuen Durchgang zu neuer Einsicht gekommen und hat den Weg frei gemacht, den Fall neu zu verhandeln - ohne den Richter von damals (Az.: 2 BvR 1699/22)

Wie konnte das passieren? Nichts sollte der Justiz so wichtig sein wie das öffentliche Vertrauen in ihre Unparteilichkeit. Doch hier zeigt sich, dass anderes wichtiger ist: Der eigene Glaube in ihre Unfehlbarkeit. Eine empfindliche Stelle des bundesdeutschen Rechtsstaats. Als Richter lässt man auf Richter nichts kommen. Befangenheit? Fast nie. Richter stehen zusammen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat größte Schwierigkeiten damit, seine - überfällige - Reform zur digitalen Dokumentation von Strafprozessen durchzubekommen. Wer die Gründe dafür sucht, wird hier fündig werden. Die Richter fühlen sich dadurch kontrolliert, und das wollen sie nicht. Wer unfehlbar ist, braucht keine Kontrolle.

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