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Zwei, die sich verstehen: Angela Merkel und Emmanuel Macron (bei einem Treffen am Freitag im Elysee-Palast).

© REUTERS

55 Jahre Élysée-Vertrag: Die Macht der zwei

Frankreich und Deutschland wollen ihre Freundschaft betonen. Das ist sehr richtig - wird aber nicht ohne Folgen für die osteuropäischen Länder bleiben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Mit einer demonstrativen Geste wollen am Montag die Französische Nationalversammlung und der Deutsche Bundestag darauf verweisen, dass es in der internationalen Politik und im Zusammenleben der Völker höherrangige Güter als den Streit um eine Regierungsbildung gibt. Auf den Tag 55 Jahre nach der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags zur deutsch-französischen Zusammenarbeit tagen beide Parlamente in Anwesenheit von Delegationen der Volksvertretung des Nachbarlandes, um einen neuen Freundschaftsvertrag auf den Weg zu bringen.

Es hätte ein frustrierendes Treffen werden können, wenn der SPD-Parteitag am Sonntag Koalitionsgespräche mit der CDU/CSU abgelehnt hätte. Diese beiden großen politischen Gruppierungen waren sich in den vergangenen Jahrzehnten unter der Führung sowohl christ- als auch sozialdemokratischer Kanzler mit ihren Partnern auf der französischen Seite immer einig, dass die Intensität der deutsch-französischen Zusammenarbeit auch über die Zukunft der Europäischen Union entscheidet.

Dieser Vertrag zwischen Herrn de Gaulle und Herrn Adenauer war und ist eine Glanzleistung, die sehr viel Frieden und Wohlstand in diese Region gebracht hat.

schreibt NutzerIn Weltkugel

In logischer Konsequenz beherrschen die Themen Europa und Kooperation mit Frankreich auch die ersten vier Seiten des Protokolls der Sondierungsgespräche. Ein Nein des SPD-Parteitags wäre nicht nur als Ablehnung einer Koalition mit der Union, sondern auch als Distanzierung von den pro-europäischen Inhalten des Sondierungspapiers aufgefasst worden.

Auf ein offensives politisches Bekenntnis Deutschlands zu diesem Ziel wartet Frankreich seit mehr als drei Monaten, wartet vor allem auch Präsident Emmanuel Macron, der als erstes französisches Staatsoberhaupt so deutlich die Bedeutung eines modernen Europas über das Thema der Nation stellt.

Das Ergebnis: ein Europa der zwei Geschwindigkeiten

Das ist umso bemerkenswerter, als er mit dieser Einstellung nicht nur den populistischen Front National bei den Präsidentschaftswahlen deutlich geschlagen hat. Nein, auch die mächtigen Gewerkschaften sind bereit, auf diesem Weg einer Öffnung der französischen Gesellschaft und des Arbeitsmarktes mitzugehen.

Macrons Forderungen nach engerer Zusammenarbeit gerade innerhalb der Euro-Zone sind in Deutschland nicht unumstritten. Vor allem die CSU fürchtet am Ende eine Haftung Deutschlands für finanzielle Lasten einer verfehlten Wirtschaftspolitik anderer EU-Staaten – ein Risiko, das keine wie auch immer parteipolitisch gefärbte Bundesregierung eingehen darf. Das ändert nichts daran, dass – und da ist Macrons Position besser fundiert – der Euro als Währung nur krisensicher gemacht werden kann, wenn die Länder der Gemeinschaftswährung sich auf eine enger abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik einigen. Die wird kommen müssen.

Das führt dann zwangsweise zu jenem Europa der zwei Geschwindigkeiten, das in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei gefürchtet wird. Diesen Konflikt werden Frankreich und Deutschland gemeinsam durch Überzeugungsarbeit entschärfen müssen. Das wird aber vor allem für die Ostmitteleuropäer in der EU ein schmerzhafter Lernprozess werden. Anders als in Warschau, Budapest, Prag und Bratislava vermutet, kann nämlich nur ein starkes Europa kleineren Ländern eine Stimme geben.

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