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Ein älteres Paar läuft mit Schutzmasken am Tübinger Rathaus vorbei. Auch die Stadt Tübingen plant eine Maskenpflicht.

© dpa/Christoph Schmidt

Ärztepräsident sieht Maskenpflicht kritisch: „Der Träger fasst sich unter Umständen häufiger ins Gesicht“

In immer mehr Bundesländern wird das Tragen von Schutzmasken Pflicht. Die Grünen fordern eine „gemeinsame Linie“. Doch es gibt auch Kritik an der Maßnahme.

Zur Eindämmung des Coronavirus setzen immer mehr Bundesländer auf eine Maskenpflicht beim Einkaufen und im öffentlichen Nahverkehr. Die Sachsen waren die ersten, dort gilt schon seit Montag eine Maskenpflicht für Geschäfte und den Nahverkehr. Thüringen will ab Freitag nachziehen, Bayern kommende Woche. In Mecklenburg-Vorpommern sind Masken ab kommendem Montag Pflicht, aber nur im Nahverkehr.

In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt deutet sich ebenfalls eine Maskenpflicht für Einzelhandel und ÖPNV an, in beiden Ländern berät an diesem Dienstag die Landesregierung darüber. Einer zuvor ausgesprochenen Empfehlung seien die wenigsten Menschen gefolgt, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Montagabend im MDR. Der Berliner Senat spricht ebenfalls über das Thema - wobei es hier in der Koalition zuvor noch unterschiedliche Positionen gab.

Doch warum gibt es nicht gleich eine bundesweite Pflicht? Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagte am Montagabend auf diese Frage in den ARD-„Tagesthemen“, man habe sich bei der Konferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten an Empfehlungen des Robert Koch-Instituts orientiert.

Solche einfachen Masken - die keine medizinischen Schutzmasken sind - könnten demnach bei richtiger Anwendung einen Zusatznutzen bringen - wenn man sich trotzdem an Kontakt- und Abstandsregeln hält. Deshalb seien sie gerade in geschlossenen Räumen zu empfehlen, sagte Braun. „Aber von einer Verpflichtung war da keine Rede.“

Grüne fordern "gemeinsame Linie"

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten hatten sich vergangene Woche nur darauf verständigt, das Tragen von „Alltagsmasken“ in Bussen und Bahnen sowie im Einzelhandel „dringend zu empfehlen“. Die Grünen fordern nun „eine klare, gemeinsame Linie“ von Bund und Ländern, wie Parteichefin Annalena Baerbock der Deutschen Presse-Agentur sagte.

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„Ich halte ein Gebot für einen Mund-Nasenschutz im öffentlichen Nahverkehr und beim Einkaufen in Geschäften für richtig“, sagte Baerbock. „Es muss klar sein, da, wo man, wie im ÖPNV, direkt auf Menschen trifft, muss ein Mund-Nasenschutz getragen werden.“ Eine solche Maskenpflicht wird häufig auch als eine Art Gegenpart zu den ersten Lockerungen von Anti-Corona-Maßnahmen gesehen, die am Montag in Kraft getreten waren.

Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach sich dafür aus, das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in Deutschland verpflichtend zu machen. Niemand wolle die Menschen jetzt mit weiteren schlechten Nachrichten konfrontieren, sagte Lauterbach am Dienstag im „Deutschlandfunk“. Er sei trotzdem der Meinung, „dass man jetzt ehrlich sein sollte und bundesweit eine Mundschutzpflicht in bestimmten Bereichen einführen sollte“.

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In Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr etwa sei das Tragen eines Mundschutzes „medizinisch sinnvoll“, erklärte der Bundestagsabgeordnete. „Der selbst gemachte Mundschutz ist nicht immer perfekt, aber wenn es gut erklärt ist, wie man ihn trägt, dann hilft er mehr, als dass er schadet“, sagte Lauterbach.

Ärztepräsident: Träger fasst sich unter Umständen häufiger ins Gesicht

Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt reagiert eher zurückhaltend auf eine Maskenpflicht. „Wenn die Masken im öffentlichen Leben, im Nahverkehr und beim Einkaufen dazu dienen können, den Infektionsgrad zu reduzieren, ist das für einen gewissen Zeitraum sinnvoll“, sagte Reinhardt der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag).

„Ich bin aber kein ausgesprochener Verfechter der Maskenpflicht, denn die Maske wird feucht und kneift. Der Träger fasst sich dann unter Umständen häufiger ins Gesicht.“ Professionelle Masken, die zuverlässig zu einer Infektionsreduktion führten, seien indes nicht ausreichend für die gesamte Bevölkerung vorhanden.

Brandenburg plant keine Pflicht - Abstandsgebot sei wichtiger

Anders als andere Bundesländer plant Brandenburg laut Landesgesundheitsministerin Ursula Nonnemacher bislang keine Pflicht zum Tragen eines Mundschutzes im öffentlichen Raum. Eine Maskenpflicht sei derzeit nicht vorgesehen, wichtiger sei weiterhin das Einhalten des Abstandsgebots von „mindestens 1,5 Meter, besser zwei Meter“, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“.

„Ich habe so ein bisschen Sorge, dass vielleicht so eine Maske dann auch so als Allheilmittel angesehen wird: „Jetzt kann man wieder eng an jeden ran gehen und die Maske schützt mich ja vor allem.“ Wir wissen, die Maske hat einen gewissen Schutzeffekt, aber sie schützt den Träger nicht sicher vor Infektion.“ Die Regierung empfehle aber das Tragen von Masken im öffentlichen Nahverkehr, wo Abstandsregeln nicht immer eingehalten werden könnten.

Die Landeshauptstadt Potsdam plant derweil ab kommender Woche eine Maskenpflicht in Bussen und Bahnen sowie beim Einkaufen. (dpa, Tsp)

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