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Hubert Aiwanger (r, Freie Wähler), Wirtschaftsminister von Bayern, spricht im bayerischen Landtag während einer Plenarsitzung.

© picture alliance/dpa/Sven Hoppe

Update

Affäre um antisemitisches Flugblatt: Aiwanger beantwortet Fragenkatalog – und sieht keinen Grund für Entlassung

Der bayerische Ministerpräsident hatte Hubert Aiwanger einen Fragenkatalog zur Flugblatt-Affäre zugeschickt. Die Antworten darauf hat ihm der Vize-Regierungschef nun übermittelt.

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Die Aufarbeitung der Affäre um Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger und ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten steuert auf den entscheidenden Höhepunkt zu: Der Freie-Wähler-Chef hat Fragen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu den im Raum stehenden Vorwürfen nun schriftlich beantwortet.

Aiwangers Antworten wurden am Freitagabend übermittelt, seine Partei und die bayerische Staatskanzlei haben dies gegenüber dem Tagesspiegel bestätigt. Zuvor hat die Deutsche Presse-Agentur darüber berichtet. Die Fragen würden nun „in Ruhe“ ausgewertet, hieß es am Samstagmorgen aus CSU-Kreisen.

Nun ist Söder am Zug, er muss nun abschließend entscheiden, wie es weitergeht: ob er Aiwanger gut einen Monat vor der Landtagswahl am 8. Oktober entlässt oder nicht.

FDP fordert eine Veröffentlichung

Aiwanger geht davon aus, dass alle Gründe für seine mögliche Entlassung ausgeräumt sind. Er sagte der „Bild am Sonntag“: „Ich weiß nicht, zu welcher Einschätzung der Ministerpräsident kommt, aber ich sehe nach meinen Antworten überhaupt keinen Grund für einen Rücktritt oder eine Entlassung.“ Die Koalition mit der CSU wolle er auch in der kommenden Legislaturperiode weiterführen, betonte Aiwanger.

Der Zeitung sagte Aiwanger, bei seinen Wählern sei „die Empörung über diese Kampagne“ groß. „Ich habe mich für Fehler von mir entschuldigt. Wir müssen uns jetzt wieder der Tagesarbeit für unser Land widmen können“, erklärte er. Wenn diese „Hexenjagd“ nicht aufhöre, werde niemand mehr in die Politik oder in andere Führungspositionen gehen, „aus Angst, dass seine Vergangenheit auf jeden schlechten Witz hin durchleuchtet wird“.

Zum Inhalt der Antworten war zunächst noch nichts bekannt. Auch die Fragen, die die Staatskanzlei an den Chef der Freien Wähler geschickt hatte, waren nicht veröffentlicht worden. Das müsse sich jetzt schnell ändern, fordert die oppositionelle FDP im Landtag.

„Die Bürgerinnen und Bürger Bayerns müssen sich selbst ein Bild darüber machen dürfen, was ihr stellvertretender Ministerpräsident zu den öffentlichen Anschuldigungen gegen ihn zu sagen hat“, sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Martin Hagen.

Es solle kein exklusiver Briefwechsel zwischen CSU und Freien Wählern sein. „Transparenz ist hier ganz wichtig, damit das Vertrauen in die Staatsregierung keinen nachhaltigen Schaden nimmt. Deshalb erwarte ich, dass Ministerpräsident Söder die Fragen und Antworten zeitnah öffentlich zugänglich macht.“

Wann Söder eine Entscheidung zu Aiwanger bekanntgeben wird, ist bislang unklar. Sowohl Söder als auch Aiwanger wollen am Samstag länger geplante öffentliche Termine wahrnehmen.

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, äußert sich zur Entschuldigung seines Stellvertreters.
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, äußert sich zur Entschuldigung seines Stellvertreters.

© dpa/Daniel Karmann

Söder hatte am Freitagmorgen den zeitlichen Druck auf Aiwanger erhöht, den Fragenkatalog vom Dienstag nun rasch zu beantworten. „Für mich ist wichtig, dass die 25 Fragen jetzt umfassend und glaubwürdig beantwortet werden, und zwar zeitnah. Und zeitnah heißt am besten noch heute, im Laufe des Tages“, sagte der Ministerpräsident am Rande eines Termins im mittelfränkischen Bechhofen.

Entschuldigung Aiwangers nannte Söder „überfällig“

Eine förmliche Frist setzte er seinem Stellvertreter damit aber weiterhin nicht. Dessen öffentliche Entschuldigung vom Vortag nannte Söder „überfällig“.

Aiwanger sagte anschließend der Deutschen Presse-Agentur in München: „Wenn die Forderung lautet, bis heute Abend, dann werden wir versuchen, bis heute Abend zu liefern.“ Er fügte hinzu: „Ich will mir hier keinen Vorwurf machen lassen.“ Vor einem Volksfest-Auftritt in Niederbayern hatte er kurz zuvor vor Journalisten gesagt, eigentlich sei die Beantwortung erst für kommende Woche geplant gewesen.

Bayerns Vize-Ministerpräsident spricht auf dem Karpfhamer Fest zu Besuchern.
Bayerns Vize-Ministerpräsident spricht auf dem Karpfhamer Fest zu Besuchern.

© dpa/Helmut Degenhart

In seiner Rede dort verteidigte er sich: „Jawohl, auch ich habe in meiner Jugend Scheiß’ gemacht. Jawohl, ich habe auch Mist gemacht.“ Er finde es aber nicht in Ordnung, jemanden später in seinem Leben mit Dingen zu konfrontieren, die 35 bis 40 Jahre zurückliegen, „bis zu seiner beruflichen Existenzvernichtung“.

Aiwangers Bruder will das Pamphlet geschrieben haben

Es gebe viele Dinge, die man im Nachhinein nicht mehr machen würde. Aber man müsse einem Menschen auch zubilligen, im Leben gescheiter zu werden. Er sprach erneut von einer von langer Hand geplanten Schmutzkampagne gegen ihn, „vielleicht, um die Grünen in die Landesregierung zu bringen“.

Aiwanger hatte bereits am Samstag schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten das antisemitische Flugblatt geschrieben zu haben, über das die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Wochenendausgabe berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf sagte Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger dann erstmals öffentlich. In Bezug auf die Vorwürfe blieb er bei bisherigen Darstellungen - insbesondere, dass er das Flugblatt nicht verfasst habe und dass er sich nicht erinnern könne, als Schüler den Hitlergruß gezeigt zu haben. Gleichzeitig ging der Freie-Wähler-Chef zum Gegenangriff über, beklagte eine politische Kampagne gegen ihn und seine Partei.

„Die Entschuldigung gestern war dringend notwendig“, sagte Söder am Freitag. „Sie war auch überfällig. Und deswegen ist das ein wichtiger Moment gewesen.“ Es blieben aber noch viele Fragen offen, erst ganz am Ende sei eine faire, abgewogene und glaubwürdige Entscheidung möglich. „Ob es am Ende alles ausreicht, wird man erst nach der Beantwortung der Fragen entscheiden“, sagte der CSU-Vorsitzende. (dpa, epd)

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