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Afghanistan-Einsatz: "Diplomatische Offensive starten"

Der Regierungsberater Markus Kaim fordert von Kanzlerin Merkel, Deutschlands Afghanistaneinsatz besser zu erklären. Die Regierung müsse die Ziele und auch die Risiken klar darlegen und nicht so tun, als ob es um eine "Wiederaufbaumission" gehe.

Die Bundesregierung sollte eine „diplomatische Offensive nach innen und nach außen“ starten, um Deutschlands Rolle im Afghanistankonflikt gegenüber der Bevölkerung und den Nato-Partnern besser zu vermitteln. Das fordert der Nato-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Markus Kaim im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die SWP berät Regierung und Parlament in außen- und sicherheitspolitischen Fragen.

„Regierung und Bundestag müssen deutlich machen, dass es in Afghanistan gemäß dem Mandat der UN um Sicherheit und Aufstandsbekämpfung geht, anstatt Nebelkerzen zu werfen und den Einsatz als Wiederaufbaumission zu verkaufen“, sagt Kaim, der derzeit als Gastprofessor in Toronto in Kanada arbeitet. Außenpolitisch dürfe die Merkel-Regierung sich nicht weiter „taub stellen“ gegenüber Forderungen ihrer Nato-Partner nach mehr Hilfe im umkämpften Süden Afghanistans. So könne die Bundeswehr sich vorübergehend in dieser Region engagieren und für eine begrenzte Zeit die dort stationierten Truppen ihrer Nato-Verbündeten unterstützen, empfiehlt Kaim.

„Es ist mehr politische Führung nötig“, sagt Kaim. Er reagiert damit auf zunehmende Forderungen von Nato-Partnern wie Kanada und den USA nach mehr Hilfe im Süden des Landes. Seine Forderung: „Eine große Regierungserklärung, in der Merkel deutlich macht, was Deutschlands Ziel in Afghanistan ist – und in der sie ehrlich sagt, dass die Mission nicht in zwei Jahren vorbei ist, sondern zehn bis 15 Jahre dauern kann.“ Dazu gehöre auch das ehrliche Bekenntnis, „dass die Bundeswehr im Rahmen dieser Mission auch zum Kämpfen und Töten bereit sein muss“. Im Kern gehe es bei dem Einsatz darum, „Sicherheit zu leisten und den afghanischen Behörden auch mit Waffengewalt gegen den Widerstand der Taliban zu helfen.“ Der Bau von Brunnen und ähnliche zivile Aufbauarbeiten seien nicht das eigentliche Ziel.

Um den Forderungen nach mehr Nato-Hilfe im Süden nachzukommen, empfiehlt Kaim, dass Deutschland, das seine Truppen bislang nur im weniger gefährlichen Norden einsetzt, Kanada und anderen im Süden des Landes kämpfenden Nato-Truppen materielle Hilfe anbieten soll. Außerdem plädiert er dafür, zumindest vorübergehend Bundeswehrsoldaten in die Region zu entsenden, zum Beispiel um die Alliierten bei der Ausbildung der afghanischen Armee zu unterstützen. Das wäre durch das Mandat des deutschen Einsatzes im Rahmen der von der Nato geführten Isaf-Mission gedeckt, sagt Kaim. Das vom Bundestag erteilte Mandat „lässt explizit zu, dass Bundeswehreinheiten im Zuge der weiteren Isaf-Ausdehnung in anderen Regionen für zeitlich und im Umfang begrenzte Unterstützungsmaßnahmen eingesetzt werden, sofern diese zur Erfüllung des Isaf-Gesamtauftrages unabweisbar sind“. Dies ist aus Sicht des Nato-Experten gegeben: „Sollte die Nato nicht auf Dauer verhindern können, dass der Aufstand der Taliban den Aufbau staatlicher Institutionen und den zivilen Wiederaufbau in diesem Landesteil verhindert, wird dieser Aufstand auch auf den Norden überspringen, die erzielten Aufbauerfolge zunichte machen und die Bundeswehr in Kampfhandlungen verwickeln, wie wir sie aus dem Süden kennen.“

Kanzlerin Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier hätten bislang zu wenig getan, um Deutschlands Verantwortung innerhalb der nordatlantischen Allianz gerecht zu werden, kritisiert Kaim. Ein erster Schritt könne sein, dass die Bundesregierung in Südafghanistan kämpfenden Nato-Alliierten wie Kanada und den USA aber auch den Niederlanden und Großbritannien gegenüber akzeptiert, dass deren Hilfsforderungen prinzipiell gerechtfertigt sind. „Dies ist ein überfälliges politisches Signal“, sagt Kaim. Es wäre an der Zeit, dass Außenminister Steinmeier sich auf eine „diplomatische Besuchsoffensive nach London, Den Haag, Ottawa und Washington“ begibt, um den Alliierten zu zeigen, dass man ihre Forderungen ernst nehme.

Der Regierungsberater plädiert außerdem dafür, dass die Bundesregierung sich in der Nato dafür stark machen solle, dass andere Länder mehr Verantwortung übernehmen, die sich bisher wenig in Afghanistan engagieren. So solle die Merkel-Regierung beim Nato-Gipfel in Bukarest im April „deutlich machen, dass Deutschland der drittgrößte Truppensteller ist und stattdessen den politischen Druck auf diejenigen Nato-Mitglieder unterstützen, die bislang nicht oder nur marginal mit Truppenkontingenten in der Isaf vertreten sind“.

Sollte die deutsche Politik sich weiter defensiv verhalten und weiter darauf setzen, den Status quo zu bewahren, würde dies „die gesamte Isaf-Mission gefährden“, warnt der Regierungsberater. Falls sich Deutschland und andere Nato-Partner weiter sperren, ihre Alliierten im Süden Afghanistans zu unterstützen, könnte dies zu einem Rückzug mehrerer Nato-Länder führen. Das würde die Merkel-Regierung vor ein noch größeres Dilemma stellen. „Entweder müsste Deutschland dann im Verbund mit anderen Staaten massiv Truppen in den Süden des Landes entsenden, um den Rückzug Kanadas und anderer Staaten zu kompensieren“. Oder der Süden würde faktisch den Taliban überlassen. Sollte es so weit kommen, so Kaims Warnung, würde dies „die gesamte Aufbauarbeit in Afghanistan zunichte machen und die nordatlantische Allianz als Sicherheitsinstitution dauerhaft beschädigen“.

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