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Kanzlerin Angela Merkel übernimmt im Juli die deutsche EU-Präsidentschaft.

© AFP

„Aufrechterhaltung der EU-Integration“: Corona-Krise überschattet deutsche EU-Präsidentschaft

Das Programm für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab Juli war fast fertig. Doch dann kam die Corona-Krise.

Deutschland will die Bekämpfung des Coronavirus in den Fokus seines EU-Vorsitzes rücken, der am 1. Juli beginnt. Das geht aus einem Entwurf des Programms der EU-Ratspräsidentschaft hervor, der EurActiv vorliegt. Alle fünf Kapitel des Programms – datiert auf den 17. März – haben eine Platzhalterzeile, die lautet „Corona: Bewältigung der Krise bzw. Bewältigung der Folgen der Krise“. Daraus lässt sich schließen, dass die deutsche EU-Ratspräsidentschaft eine „Krisenpräsidentschaft“ werden könnte.

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Der „Spiegel“ hatte aus einem Schreiben des deutschen EU-Botschafters Michael Clauß an das Kanzleramt zitiert: „In den Mittelpunkt rücken fortan die Handlungsfähigkeit der europäischen Institutionen, Krisenmanagement, Exit und Wiederaufbau – womöglich die Aufrechterhaltung der EU-Integration an sich.“ Der Diplomat warnte, dass der Erfolg der deutschen Präsidentschaft an der Bewältigung dieser Krise gemessen werde.

Aus dem Bundestag hieß es unterdessen, dass das Coronavirus zwar die gesamte Agenda der EU-Präsidentschaft beeinflussen werde, die bestehende Struktur des Programms aber erhalten bleibe.

Der 18 Seiten lange Programmentwurf für die deutsche EU-Präsidentschaft ist ein Kompendium von Vorschlägen, das vom Außenministerium an alle Berliner Ministerien geschickt wurde. Es überrascht nicht, dass der Gesundheitssektor mit der Krise in den Mittelpunkt gerückt ist. Deutschland plant beispielsweise, vor dem Hintergrund der Krise eine europäische Pharmastrategie voranzutreiben.

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„Im Hinblick auf das Kommissionsvorhaben einer neuen europäischen Arzneimittelstrategie wollen wir im Rahmen unserer Ratspräsidentschaft konkrete Maßnahmen diskutieren, wie Lieferengpässe bei Arzneimitteln in der EU verhindert, Lieferketten sichergestellt und Abhängigkeiten bei der Wirkstoffherstellung vermieden werden können“, heißt es in dem Dokument.

Es gelte, die globale Wettbewerbsfähigkeit des Pharmasektors zu stärken und „den Zugang zu innovativen Medikamenten zu sichern“.

Im Fokus steht hier die Innovationsfähigkeit der Mitgliedstaaten – und insbesondere Deutschlands. Die „Welt am Sonntag“ hatte Mitte März berichtet, dass US-Präsident Donald Trump dem Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac rund eine Milliarde Dollar angeboten habe, um sich die Exklusivrechte an einem Coronavirus-Impfstoff zu sichern. SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp, der 80 Prozent von CureVac besitzt, lehnte das Angebot kategorisch ab und schloss einen Exklusivvertrag mit einem einzigen Staat für einen Coronavirus-Impfstoff aus.

Von der Leyen will „Green Deal“ durch „White Deal“ ergänzen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte der „Zeit“ gesagt, sie wolle nun die Gesundheitsversorgung in den Mittelpunkt ihrer Amtszeit stellen. Der „Green Deal“ für den Klimaschutz solle um einen „White Deal“ ergänzt werden, sagte sie. „Der ‚Green Deal‘ ist und bleibt sehr wichtig, wird aber um eine weiße Komponente, weiß als Farbe der Medizin, ergänzt. Wir erkennen jetzt, dass Gesundheit genauso ein öffentliches Gut ist wie ein erträgliches Klima“, fügte sie hinzu. „Wir schützen die Gesundheit des Planeten und wir schützen die Gesundheit der Menschen“.

Erschienen bei EurActiv. Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Auch die Digitalisierung nimmt im Programm der deutschen EU-Präsidentschaft eine prominente Rolle ein, wobei der Fokus auf Datenpolitik, künstlicher Intelligenz und einem digitaler Binnenmarkt liegen soll. Die Offenheit des Binnenmarktes muss gewährleistet bleiben, ein Anspruch, der im Zusammenhang mit der europäischen Diskussion über eine Beteiligung des chinesischen Kommunikationsunternehmens Huawei am 5-G-Netz verständlich ist. Im Februar hatte sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen einen namentlichen Ausschluss des chinesischen Mobilfunkers entschieden.

Die Risiken künstlicher Intelligenz sollen durch Regulierungen adressiert werden, um Grundrechte zu schützen. Auch bei der Nutzung von Gesundheitsdaten setzt Deutschland auf einen gemeinsamen „Code of Conduct“. Generell möchte Deutschland die „European Data Governance“ voranbringen, um gemeinsame Regeln für Datennutzung etwa in den Bereichen Landwirtschaft oder Verkehr zu schreiben.

Claire Stam, Philipp Grüll

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