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Ruinen des ersten Atombombenabwurfs: Gedenkpark in Hiroshima

© dpa/EPA/Kiyoshi Ota

Barack Obama in Hiroshima: Eine Mahnung an die Weltgemeinschaft

Das Risiko einer Renaissance von Atomwaffen in der internationalen Sicherheitspolitik ist wieder gestiegen. Wir brauchen einen neuen Anlauf für Abrüstung und Rüstungskontrolle mit Russland. Ein Gastbeitrag

Dieser Freitag ist ein historischer Tag: Barack Obama wird als erster US-Präsident Hiroshima besuchen, den Ort des ersten amerikanischen Atombombenabwurfs während des Zweiten Weltkriegs. Es ist ein wichtiger Moment für die Beziehungen zwischen den USA und Japan. Obamas historischer Schritt sowie die Erinnerung an den Atombombenabwurf vom 6. August 1945 und dessen Folgen sollte aber auch die Weltgemeinschaft mahnen, die Bemühungen um nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung trotz wachsender Widrigkeiten voranzutreiben. 

Mit seiner Rede in Prag im Jahr 2009 stieß Präsident Obama durch das amerikanische Bekenntnis zum Ziel einer kernwaffenfreien Welt ein Fenster der Gelegenheit für nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung weit auf. Wichtige Erfolge konnten im Anschluss erreicht werden: allem voran ein neuer START-Abrüstungsvertrag mit Russland und das Nuklearabkommen mit dem Iran. Die Gipfel zur nuklearen Sicherheit konnten in den Teilnehmerstaaten wesentliche Maßnahmen zur Reduzierung und Sicherung von spaltbarem Material anstoßen. Als deutschem Außenminister gelang es Guido Westerwelle in dieser Phase im Jahr 2010 auch, erstmals ein grundsätzliches Bekenntnis zur nuklearen Abrüstung sowie das Ziel der Reduzierung der Kernwaffen in Europa im strategischen Konzept der Nato zu verankern.

Die japanische Stadt Hiroshima kurz nach dem Atombombenabwurf im August 1945.
Die japanische Stadt Hiroshima kurz nach dem Atombombenabwurf im August 1945.

© AFP

Zum Ende der Präsidentschaft Barack Obamas scheint jedoch das Momentum für Abrüstung nicht nur geschwunden, sondern es wächst das Risiko einer Renaissance der Bedeutung von Atomwaffen in der internationalen Sicherheitspolitik. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Modernisierung der Nukleararsenale der Kernwaffenstaaten. Mit Sorge blicken dabei Experten auf die Rüstungsdynamik im regionalen Machtdreieck der Kernwaffenstaaten China, Indien und Pakistan. In der Zwischenzeit treibt in direkter Nachbarschaft Nordkorea die Entwicklung seines Nuklearprogramms stetig voran. Die Verhinderung eines regionalen Rüstungswettlaufs in Asien wird eine der großen Aufgaben der Nichtverbreitungsdiplomatie des 21. Jahrhunderts. Gedankenspiele über eine mögliche atomare Bewaffnung Südkoreas oder gar Japans - wie sie im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf zu hören waren, senden vor diesem Hintergrund ein falsches Signal.

Der Westen braucht dringend eine gemeinsame Strategie in seinen Beziehungen zu Russland

Die USA und Russland modernisieren ihrerseits die Nukleararsenale - auch unter Verweis auf die Aktivitäten des jeweils anderen Staates. Die Hoffnung auf weitere Abrüstungsschritte im Anschluss an den neuen START-Vertrag zwischen den beiden größten Nuklearmächten liegen aber spätestens seit der Annexion der Krim durch Russland und die Krise der Nato-Russland-Beziehungen gänzlich auf Eis. Das Bild des russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew von einem „neuen Kalten Krieg“ und die gezielten Demonstrationen ihrer Nuklearmacht durch die russische Führung sind besorgniserregend. Die westliche Staatengemeinschaft braucht dringend eine gemeinsame Strategie in ihren Beziehungen zu Russland, wenn Anfang Juli 2016 die Staats- und Regierungschefs in Warschau zum Nato-Gipfel zusammenkommen. Für die Allianz wird es auch darum gehen, die schwierige Balance zwischen Kooperation und Abschreckung in ihren strategischen Planungen auszutarieren.

Abschreckung als militärische Strategie muss angesichts zunehmend hybrider und asymmetrischer Bedrohungen grundsätzlich neu gedacht werden. Es wäre aber falsch, das atomare Säbelrasseln Russlands im Gegenzug mit einer Aufwertung der Rolle von Kernwaffen als vermeintliche Garanten für die Sicherheit Europas zu beantworten. Eine solche Rückkehr zu Denkmustern des Ost-West-Konflikts wäre ein Rückschritt für die internationale Sicherheit und die europäische Friedensordnung. Wir sollten die Türen offen halten, ohne unsere Prinzipien und Werte zu leugnen. Es wäre nicht das erste Mal, dass dies gelingen könnte. Globale Stabilität verlangt Kooperation und Dialog. Ein neuer Anlauf für Abrüstung und Rüstungskontrolle mit Russland könnte auch hier ein Anfang zur Vertrauensbildung sein.

- Wolfgang Gerhardt ist Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Wolfgang Gerhardt

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