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State of the Union. Barack Obama bei der traditionellen Jahresrede.

© dpa

Barack Obama: Zur Not als Einzelkämpfer

US-Präsident Barack Obama will 2014 vor allem als Sozialpolitiker punkten – wenn es sein muss, auch an dem von den Republikanern dominierten Repräsentantenhaus vorbei. Das soll die Mehrheit im Senat retten.

John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, schmunzelte auf seinem erhöhten Platz hinter dem Rednerpult. Er konnte nicht anders, als zustimmend zu nicken. Vize-Präsident Joe Biden wandte sich Boehner lächelnd zu, klatschte und erhob sich. Und mit ihm ging dann die komplette, im Sitzungssaal des US-Repräsentantenhauses versammelte Führung Amerikas zu Standing Ovations über. Einmal wieder hatte es Barack Obama geschafft, mit einer Fußnote sein Publikum einzunehmen. „Der Sohn eines Gastwirts“, erinnerte der Präsident in seiner Rede zur Nation, „ist heute Sprecher des Repräsentantenhauses.“ Und er fügte hinzu: „Der Sohn einer alleinerziehenden Mutter kann heute Präsident der großartigsten Nation der Welt sein.“

In der Defensive

Doch bei allem Applaus: Obama ist in der Defensive. 2013 war ein Jahr voller Krisen, seine Umfragewerte sind desaströs. Er musste die Zustandsbeschreibung der Nation am Dienstagabend nutzen, um das Volk wieder für sich einzunehmen und um vor den Kongresswahlen im November wieder an Stärke zu gewinnen. In dem er sich stark auf die soziale Gerechtigkeit konzentrierte, schickte er eine Kampfansage an die Republikaner. Er forderte einen um ein Drittel höheren Mindestlohn von 10,10 Dollar, der künftig auch für staatliche Angestellte gelten soll, sowie eine Ausbildungskampagne. Von den Republikanern verlangte er eine Steuerreform, die mehr Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich herstellt.

Wenig zum NSA-Skandal

2013 war in den USA geprägt vom NSA-Skandal, der Syrienkrise und dem Haushaltsnotstand. Doch auch ohne diese Krisen hätte der Kongress nicht viel mehr Gesetzgebung vollendet. Republikaner und Demokraten blockieren sich in zentralen Fragen, vor allem aber bei der sozialen Agenda, die Obama schon in seiner Rede zur zweiten Amtseinführung im vergangenen Jahr aufgestellt hatte. Auch im Januar 2013 hatte Obama Chancengleichheit und Gerechtigkeit gefordert, besseren Zugang zu Schulbildung für die ärmeren Schichten und eine gerechtere Entlohnung.

Auch andere Forderungen waren nicht neu, sie sind nur an der politischen Blockade gescheitert. Wie schon vor einem Jahr kündigte Obama Maßnahmen an, mit denen Schießereien wie in der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown verhindert werden sollen. Und schon lange steht auch die jetzt wiederholte Forderung, das Lager auf Guantanamo zu schließen, auf Obamas Liste. Dieses Jahr, forderte er vom Kongress, müsse das sein, „in dem das Gefängnis auf Guantanamo Bay geschlossen wird“. Den NSA-Skandal erwähnte Obama nur am Rande. Zu den Atomgesprächen mit dem Iran meinte er: „Die Verhandlungen werden schwierig sein. Sie könnten scheitern.“

"Amerika steht nicht still - ich auch nicht"

Nach einem Jahr Blockade durch die Republikaner kündigte Obama an, im Zweifel auch am Kongress vorbei Politik zu machen. „Wo und wann immer ich Schritte ohne Gesetzgebungsverfahren machen kann, um die Möglichkeiten für mehr amerikanische Familien zu erweitern, werde ich das tun“, ließ der Präsident die versammelten Volksvertreter wissen. „Amerika steht nicht still – und ich werde das auch nicht tun.“ Obama versprach, das kommende Jahr werde ein „Aktionsjahr“, und gab das Motto „Chancen für jeden“ aus.

Nur selten gaben die Republikaner, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit stellen, dem Präsidenten ihren Beifall. Auch die versammelten Generäle schienen wenig berührt. Obamas demokratische Anhänger, im Senat die stärkste Kraft, belohnten die Kampfansage gegen ungerechte Löhne für Frauen und die Passion für einen Ausgleich zwischen Arm und Reich mit lautem Beifall. Sollten die Demokraten im November den Senat verlieren, stünde Obama einer geballten konservativen Phalanx im gesamten Kongress gegenüber. In einem Punkt immerhin scheint sich Amerika einig zu sein. Als der Präsident die Erfolge seiner Amtszeit aufzählte, erinnerte er an die gefallenen Soldaten im Irak und in Afghanistan. „Wir haben diesen Krieg zu Ende gebracht“, sagte Obama. Die Generäle, Republikaner, Demokraten, die Minister, alle geladenen Gäste in den Logen standen auf und klatschten anhaltend.

Sergeant Remsburgs Auftritt

Der pathetischste Moment stand aber am Ende der Rede des US-Präsidenten. Neben der First Lady Michelle Obama hatte in der Gästeloge Sergeant First Class Cory Remsburg seinen Platz eingenommen. Obama hatte Remsburg vor Jahren bei den Feiern am Omaha Beach zum D-Day-Jahrestag kennengelernt. Ein paar Monate später wurde der US-Soldat von einer Straßenbombe in Afghanistan fast getötet. Im Kongress erschien er auf einem Auge blind und mit sichtlichen Bewegungsschwierigkeiten. Remsburg, sagte Obama, hat niemals aufgegeben. So wie Amerika niemals aufgeben werde.

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