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Österlicher Reiseverkehr auf der Autobahn A2 Richtung Berlin.

© picture alliance / Geisler-Fotopress/Ulrich Stamm/Geisler-Fotopress

Update

Pläne des Justizministeriums: Buschmann will offenbar Unfallflucht ohne Verletzte entkriminalisieren

Die Fahrerflucht ohne Personenschaden könnte künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit gelten. Kritik hagelt es nicht nur von Ampel-Politikern, sondern auch von der Polizei und Rechtsexperten.

Das Bundesjustizministerium will einem Medienbericht zufolge Unfallflucht ohne Personenschaden entkriminalisieren.

Demnach soll die Fahrerflucht den Plänen zufolge künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit und nicht mehr als Straftat eingestuft werden, solange ein Sachschaden, aber kein Personenschaden vorliegt. Das gehe aus Eckpunkten des von Marco Buschmann (FDP) geführten Ministeriums hervor, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet.

Durch diese Herabstufung „würde einer undifferenzierten Kriminalisierung des Unfallverursachers entgegengewirkt“, hieß es dem RND zufolge in dem Papier.

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Eine Sprecherin des Ministeriums versicherte am Dienstag in Berlin: „Eine Entscheidung, ob und wie eine mögliche Anpassung erfolgt, ist noch nicht getroffen worden.“

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Derzeit werde geprüft, ob bei diesem Thema Handlungsbedarf bestehe. Es gebe jedoch dazu noch kein Eckpunktepapier, sondern lediglich ein Schreiben der Fachebene des BMJ an die Landesjustizverwaltungen und Fachverbände, so die Sprecherin.

Fahrerflucht: Was plant das Bundesjustizministerium?

Bislang kann die unerlaubte Entfernung Beteiligter vom Unfallort laut Paragraf 142 des Strafgesetzbuchs mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. 

Sobald es körperlich Geschädigte gebe, sei es stets erforderlich, „am Unfallort zu verbleiben und sich als Unfallbeteiligter zu erkennen zu geben“, hieß es nun laut RND in dem Papier. Dies gelte „trotz der mit der Selbstanzeige des Unfalls verbundenen Selbstbezichtigung einer gegebenenfalls mitverwirklichten Begleittat“, etwa einer Trunkenheitsfahrt.

Vor diesem Hintergrund gebe es umgekehrt aber „gute Argumente dafür, von einer Strafbewehrung der unterlassenen Selbstanzeige des Unfalls bei reinen Sachschäden abzusehen“, hieß es weiter. Denn Paragraf 142 durchbreche das Prinzip der „Straflosigkeit der Selbstbegünstigung“.

Buschmann will auf Meldung der Unfallverursacher setzen

Bislang gilt, dass Unfallbeteiligte eine „angemessene Zeit“ am Unfallort warten müssen. Als Alternative dazu bringt das Justizministerium nun die Einrichtung einer Meldepflicht und Meldestelle ins Spiel.

„Denkbar wäre etwa eine Meldung über eine standardisierte Online-Maske, gegebenenfalls auch mit hochzuladenden Bildern vom Unfallort und Schaden, oder eine, am geschädigten Fahrzeug zu fixierende, Schadensmeldung, bei deren ordnungsgemäßer Vornahme keine tatbestandsmäßige Handlung vorläge“, heißt es weiter.


Reaktionen auf Buschmanns Vorschlag

Politiker der Ampel haben den Vorschlag des Bundesjustizministers bislang scharf kritisiert. Auch der Deutsche Richterbund, die Polizeigewerkschaft und der Gesamtverband der Versicherer sehen den Vorstoß eher skeptisch.

Deutscher Richterbund befürchtet mehr Arbeit und Bürokratie

Gegen ein solches Vorgehen wandte sich der Deutsche Richterbund (DRB). „Aus Sicht der Justizpraxis besteht kein Anlass, das unerlaubte Entfernen vom Unfallort in Fällen ohne Personenschaden zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der Nachrichtenagentur AFP.

Zu einer spürbaren Entlastung der Strafjustiz würden die Pläne nicht führen.

Sven Rebehn, DRB-Bundesgeschäftsführer

„Die Strafvorschrift hat sich bewährt und gibt den Gerichten ausreichend Spielräume, um Rechtsverstöße jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen.“ Auch sei „zu befürchten, dass die Warte- oder Meldebereitschaft nach Unfällen durch die geplante Reform weiter sinken würde“.

Eine spürbare Entlastung der Strafjustiz würden die Pläne Buschmanns wohl kaum mit sich bringen, so Rebehn. „Auf die Gerichte käme vermutlich sogar mehr Arbeit zu“, warnte er. „Die Fälle werden heute durch die Staatsanwaltschaften vorbereitet und zu einem großen Teil durch Einstellungen erledigt“, erklärte er.

Marco Buschmann (FDP) möchte mit dem Bundesjustizministerium die Unfallflucht entkriminalisieren.
Marco Buschmann (FDP) möchte mit dem Bundesjustizministerium die Unfallflucht entkriminalisieren.

© dpa/Jörg Carstensen

„Künftig würden die Ordnungsbehörden im Zweifel einen Bußgeldbescheid erlassen, den viele Betroffene dann sicher gerichtlich überprüfen lassen.“ Entsprechend würden weitaus mehr Verfahren bei den zuständigen Amtsgerichten landen, so der DRB-Chef.

Polizei: Hemmschwelle zur Fahrerflucht könnte sinken

Auch die Gewerkschaft der Polizei reagierte auf Buschmanns Vorstoß eher skeptisch. „Es wäre fatal, wenn durch eine teilweise Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, Unfallflucht wäre ein Kavaliersdelikt“, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens der „Augsburger Allgemeinen“.

„Es darf nicht sein, dass für Unfallverursacher durch eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit die Hemmschwelle zur Flucht vom Unfallort sinkt“, so der Polizeigewerkschafter.

Für die Möglichkeit, Unfälle künftig über eine standardisierte Online-Maske mit Bildern vom Unfallort zu melden, zeigte sich Mertens hingegen offen: „Intelligente Onlineverfahren zur Unfallmeldung oder andere Ideen sind unabhängig der rechtlichen Einstufung der Unfallflucht überlegenswert, der Zettel an der Windschutzscheibe ist im Jahr 2023 von gestern.“

Es darf nicht sein, dass für Unfallverursacher durch eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit die Hemmschwelle zur Flucht vom Unfallort sinkt.

Michael Mertens, Gewerkschaft der Polizei

Union: Eigentumsrecht könnte zur Bagatelle werden

„Die Verkehrsunfallflucht muss Straftat bleiben und das ohne Abstriche“, verlangte auch der hessische Justizminister Roman Poseck (CDU). Es gehe hier um „kein Kavaliersdelikt“, erklärte er in Wiesbaden.

Schon jetzt würden viele Unfallopfer auf Sachschäden sitzen bleiben. „Es liegt auf der Hand, dass sich bei einer Entkriminalisierung der Verkehrsunfallflucht noch mehr Verkehrsteilnehmer ihren Pflichten entziehen werden“, warnte Poseck.

Die Verkehrsunfallflucht muss Straftat bleiben und das ohne Abstriche.

Roman Poseck,  Justizminister Hessen

Die Union fürchtet darüber hinaus, dass der Vorstoß zu einer generell anderen Bewertung von Eigentumsdelikten führen könnte. 

Ulrich Lange von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagte der Mediengruppe Bayern, dass Buschmanns Vorstoß dazu verleiten könne, „solche Vergehen nicht nur im Verkehr, sondern auch in anderen Bereichen zu einer Bagatelle zu machen.“ Dies verleite dazu, „Eigentum nicht mehr als Wert an sich zu betrachten.“

Grüne befürchten Rechtsunsicherheit zu Lasten der Opfer

„Dieser Vorstoß des Justizministers widmet sich leider nicht ansatzweise den vielen drängenden Fragen etwa im Bereich der Verkehrssicherheit“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Stefan Gelbhaar den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

Eine Fülle an neuen Ausreden für Fahrerflucht zu schaffen, schadet.

Stefan Gelbhaar, Die Grünen

„Eine Fülle an neuen Ausreden für Fahrerflucht zu schaffen, schadet. Das schafft Rechtsunsicherheit zu Lasten der Unfallopfer“, so Gelbhaar. 

SPD will Buschmanns Vorschlag offen diskutieren

Die SPD signalisierte hingegen, dass sie den Vorschlag offen diskutieren und prüfen wolle.

„Die Ampelkoalition will das Strafrecht modernisieren“, sagte die rechtspolitische Sprecherin, Sonja Eichwede, der Mediengruppe Bayern. „Die Vorschläge des Bundesjustizministers im Bereich Verkehr werden wir als Teil dieser Überarbeitung offen diskutieren“, so Eichwede.

Versicherer befürchten erschwerte Beweissicherung

Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) warnte davor, durch eine Neuregelung Möglichkeiten der Beweissicherung einzuschränken. Das gelte beispielsweise für die Frage, ob Alkohol oder Drogen mit im Spiel waren, erklärte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Auch dürfe Fahrerflucht „nicht dazu führen, dass Unfallopfer auf ihren Sachschäden sitzen bleiben“. (AFP, Tsp)

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