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Das Spitzentreffen zum Thema Migration fand im Kanzleramt in Berlin statt.

© dpa/Britta Pedersen

Update

26-Punkte-Papier übergeben: Union lobt Migrationstreffen im Kanzleramt als „sehr konstruktiv“

In die Gespräche über die Migrationspolitik kommt Bewegung. Union und die Länder machen detaillierte Vorschläge, was jetzt passieren sollte. Der Städtetag äußert Zweifel.

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Bund und Länder wollen bis Anfang November zu gemeinsamen Lösungen kommen, um den Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge nach Deutschland in den Griff zu bekommen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Ministerpräsidenten Boris Rhein (SDU) und Stephan Weil (SPD) berieten am Freitagabend erstmals mit dem Oppositionsführer im Bundestag, CDU-Chef Friedrich Merz, über die Migrationspolitik. Die beiden Landesregierungschefs zeigten sich anschließend zuversichtlich, dass ein Konsens möglich ist. Merz erklärte sich zu weiteren Gesprächen bereit.

Das Treffen sei „sehr konstruktiv“ gewesen und habe „in einer sehr guten Atmosphäre stattgefunden“, sagte der hessische Regierungschef Rhein, der derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist. Sein Stellvertreter, der Niedersachse Weil, sagte, nach der Einigung der Länder bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Frankfurt müssten nun auch Regierung und Opposition im Bund zusammenfinden.

Hier sei er zuversichtlich. „Es ergibt erkennbar die Bereitschaft dazu.“ Merz lobte im ZDF-„heute journal“ die „gute Atmosphäre“ des Gesprächs: „Wir sind uns im Ziel einig, und ob wir uns auf dem Weg einig werden, das werden die nächsten Tage und Wochen zeigen.“

Das mehr als zweistündigen Gespräch im Kanzleramt war ein neues Format. Scholz und Merz hatten zunächst ein Vier-Augen-Gespräch geführt, zu dem dann die beiden Länderregierungschefs dazu kamen.

Was im 26-Punkte-Papier steht

Bei dem Treffen hatten Merz und Rhein Kanzler Scholz ein 26-Punkte-Papier für einen „Deutschland-Pakt“ zur Begrenzung der illegalen Migration vorgelegt. In dem der Deutschen Presse-Agentur in Berlin am Freitagabend vorliegenden Papier werden weitgehend bekannte Forderungen der Union aufgelistet. Es enthält 16 Forderungen für nationale Maßnahmen sowie zehn Punkte für Maßnahmen auf europäischer Ebene.

  • So verlangt die Union von Scholz unter anderem ein „gemeinsames Verständnis“, „dass Deutschland mit Blick auf die Integration-Infrastruktur und den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine Asylzuwanderung bis maximal 200.000 Personen pro Jahr verträgt“. Vor diesem Hintergrund müsse es eine Regierungserklärung des Kanzlers mit dem Signal geben: „Deutschlands Aufnahmekapazitäten sind erschöpft“.
  • Zudem will die Union die „Einführung lageangepasster, stationärer Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und zur Schweiz“ durchsetzen. Es müssten Transitzonen und Rückkehrzentren eingerichtet werden, wo es an den Landesgrenzen ein beschleunigtes Verfahren für Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive geben solle.
  • Das freiwillige Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan müsse gestoppt werden, soweit es über die Aufnahme afghanischer Ortskräfte hinaus gehe, fordert die Union weiter. Algerien, Marokko, Tunesien und Indien müssten als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Es müsse zudem eine „kurzfristige Umsetzung im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur Einstufung von Georgien/Moldau als sichere Herkunftsstaaten“ geben.
  • Die Union will mit Scholz auch eine politische Vereinbarung mit den Bundesländern zur konsequenten Anwendung des Vorrangs von Sachleistungen durchsetzen. Zur „weiteren Verringerung der Attraktivität irregulärer Sekundärmigration nach Deutschland“ solle ein Sozialleistungsniveau für abgelehnte Asylbewerber und Personen im Asylverfahren unterhalb des Niveaus des Bürgergelds geschaffen werden.
  • Die Bleiberechtsmöglichkeiten ausreisepflichtiger Ausländer sollten reduziert werden.
  • Auf europäischer Ebene verlangt die Union von Scholz unter anderem eine persönliche Initiative gegenüber der EU-Kommission, „damit EU-Mittel für den Schutz der EU-Außengrenzen und für die Errichtung von Infrastruktur zum Grenzschutz freigegeben werden“. Falls diese Initiative „nicht binnen eines Monats zum Erfolg führt, wird Deutschland die EU-Außengrenzstaaten unmittelbar und bilateral, finanziell und personell beim Grenzschutz und der Errichtung von Infrastruktur zum Grenzschutz unterstützen“, heißt es weiter.

Am 6. November finden in Berlin Beratungen aller Ministerpräsidenten mit Scholz statt. Dann soll es zu einer Einigung über die Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung kommen, aber es sollen möglichst auch Lösungen in anderen Fragen gefunden werden. „Ich finde, es kommt jetzt darauf an, dass jetzt Tempo stattfindet bei den Lösungen der Fragen“, sagte Rhein. Er sei für ein Migrations-Paket „aus einem Guss“.

Am Freitag hatten sich die Bundesländer schon auf einen Forderungskatalog geeinigt. Eine der wichtigsten Forderungen hier: Asylbewerber sollen keine Bargeldzahlungen mehr erhalten, sondern ihre Leistungen über eine Chipkarte erhalten. Außerdem soll die Arbeitspflicht für Geflüchtete stärker genutzt werden. Der Bund soll die Länder bei den Asylverfahren zudem stärker finanziell unterstützen.

Der Städte- und Gemeindetag hat die Bemühungen der Politik um eine andere Migrationspolitik grundsätzlich begrüßt, stellt einzelne der von den Ländern vorgeschlagenen Maßnahmen aber infrage. So bezweifelte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg am Samstag im Deutschlandfunk, dass die Asylverfahren wirklich auf drei Monate verkürzt werden können und die Umstellung der Leistungen auf eine Bezahlkarte zur Begrenzung der Zuwanderung beiträgt.

Zugleich bedauerte er, dass die Ministerpräsidenten sich nicht für eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten ausgesprochen haben. Bei deren Staatsangehörigen gibt es ein vereinfachtes Asylverfahren. Landsberg forderte, die nordafrikanischen Maghrebstaaten und Indien entsprechend einzustufen.

Grundsätzlich lobte er aber die Bemühungen von Bund und Ländern: „Es ist gut, dass jetzt Bewegung in die Migrationspolitik kommt. Das war sicher den Ergebnissen der Landtagswahlen, aber auch der erkennbaren Überforderung der Kommunen geschuldet.“ (dpa)

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