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Eine Boeing 737 MAX 8 steht vor dem Boeing-Fertigungswerk in Renton in den USA.

© Ted S. Warren/dpa

Update

Boeing 737 Max 8: Welche Folgen hat die Luftraum-Sperrung für Reisende?

Maschinen vom Typ Boeing 737 Max dürfen nicht mehr über Europa fliegen, Airlines verzichten auf Starts. Fragen und Antworten zu Ursachen und Auswirkungen.

Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 mit 157 Toten müssen Maschinen des gleichen Typs in mehreren Ländern am Boden bleiben. In ganz Europa wurde am Dienstagabend der Luftraum für diese Flugzeuge gesperrt. Der Unfall der Ethiopian-Airlines-Maschine nach dem Start in Addis Abeba am Sonntag war bereits der zweite dieses Modells binnen weniger Monate: Erst im Oktober war ein Flieger der indonesischen Lion Air vor Java abgestürzt, 189 Menschen starben. Weltweit nutzen Fluggesellschaften über 350 Maschinen vom Typ 737 Max 8.

Womit müssen Reisende in Deutschland jetzt rechnen?

Deutschlands Reisende können die Anordnung eher gelassen nehmen. Als einzige deutsche Fluggesellschaft wollte Tuifly eine Maschine dieses Typs ab April einsetzen, nun disponiert man um. „Das ist kein Problem“, sagte ein Tui-Sprecher. Europaweit sind 15 Maschinen betroffen, mit denen Europas größter Reiseveranstalter europäische Kunden in die Ferien befördern wollte. Auch hier ist Tui zuversichtlich, andere Flugzeuge als Ersatz zu finden.

An den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld steht derzeit keine Maschine dieses Typs. „Es ist weder eine Boeing 737 Max 8 bei uns geparkt, die umgesetzt werden müsste, noch ist ein solches Flugzeug avisiert“, teilte Flughafen-Sprecher Daniel Tolksdorf mit. Es gäbe zwar Airlines, die diesen Flugzeugtyp gelegentlich einsetzen würden, aber derzeit sei keine in Berlin. „Ich sehe keine großen Probleme“, betonte Tolksdorf, Flugausfälle seien derzeit nicht absehbar.

Die Flugsicherung, deren Fluglotsen das Überflugverbot kontrollieren müssten, wartet noch auf schriftliche Anweisungen aus dem Verkehrsministerium. „Wir haben noch nichts Konkretes“, sagte eine Sprecherin. Bei der Behörde rechnet man damit, dass nicht nur die Flugsicherung, sondern auch die Airlines und die Piloten über die genauen Vorgaben informiert werden.

Was ist das Problem der Boeing 737 Max 8?

Gleich zweimal ist eine fast neue Boeing 737 Max 8 wenige Minuten nach dem Start abgestürzt. Beide Unfälle weisen auffällige Parallelen auf, so gab es auffällige Schwankungen bei der Flughöhe. Ins Zwielicht geriet ein System, mit dem Boeing Unzulänglichkeiten bei dem Modell ausgleichen wollte. Es soll eigentlich Abstürze verhindern.

Die sogenannten Schmalrumpfjets Boeing 737 und Airbus A320 sind die Erfolgsmodelle der jeweiligen Hersteller. Beide entschlossen sich, die Flugzeuge mit neuen, treibstoffsparenden Triebwerken auszustatten. Die haben allerdings einen deutlich größeren Durchmesser. Was für den höheren A320 ohne Schwierigkeiten machbar war, wurde für Boeing zum Problem: Um die Antriebe mit genügend Bodenfreiheit an die Tragflächen zu bekommen, musste das Fahrgestell verlängert werden. Außerdem wurden die Triebwerke nach vorn verschoben. Das erhöhte die Neigung der Maschine, die Nase zu heben, was bei einem zu hohen Anstellwinkel zu einem Strömungsabriss, einem Auftriebsverlust und schlimmstenfalls zum Absturz führt.

Um das zu verhindern, erfand Boeing für die Max das Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS). Das System soll in bestimmten Fluglagen einen drohenden Auftriebsverlust verhindern, indem es die Flugzeugnase automatisch nach unten drückt. Das MCAS reagiert aber offenbar auch auf fehlerhafte Sensordaten. In Bodennähe bleiben den Piloten dann nur Sekunden, um das System zu deaktivieren. Cockpitbesatzungen warfen dem Hersteller nach dem Lionair-Crash vor, nicht ausreichend über MCAS informiert worden zu sein. Boeing wies das zurück, musste die entsprechenden Handbücher aber bereits nachbessern.

Welche Fluggesellschaften sind betroffen?

Größter Betreiber ist der Billigflieger Norwegian mit 18 Maschinen. Man habe keinen Zweifel an der Sicherheit der Flugzeuge, die allen Anforderungen der amerikanischen und europäischen Behörden entsprechen würden, sagte Flugbetriebsleiter Tomas Hesthammer. Dennoch hat die Gesellschaft alle 18 Maschinen vorsorglich aus dem Verkehr gezogen. Betreiber der Max in Europa sind bisher Turkish Airlines (elf Maschinen), die TUI- Flugbetriebe in Belgien, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden (15), LOT (Polen/vier), Icelandair (drei), Air Italy (drei), Smartwings (Tschechien/drei), Corendon (Türkei/eine) und S7 (Russland/zwei).

Boeing fürchtet offenbar, dass auch die Vereinigten Staaten ihren Luftraum sperren könnten, wodurch noch wesentlich mehr Fluggesellschaften betroffen wären. Medienberichten zufolge hat Konzernchef Dennis Muilenberg mit US-Präsident Donald Trump telefoniert. Die „New York Times“ berichtete unter Berufung auf zwei mit dem Gespräch vertraute Personen, Muilenberg habe bei Trump dafür geworben, kein Startverbot für baugleiche Maschinen in den USA zu verhängen. Auch der Sender CNN vermeldete das Telefonat vom Dienstag, ohne allerdings über Inhalte zu berichten. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht.

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Die USA sehen indes weiterhin keinen Anlass für ein Startverbot. Bislang hätten die Überprüfungen der Luftfahrtbehörde FAA keine „systemischen Leistungsprobleme“ bei dem Flugzeugtyp und keine Grundlage für ein Startverbot ergeben, teilte der amtierende Behördenchef Daniel Elwell am Dienstag auf Twitter mit. Auch hätten Luftfahrtbehörden anderer Länder der FAA keine Daten zur Verfügung gestellt, die Maßnahmen erforderlich machten.

Weiter hieß es in der Mitteilung, die „dringende Auswertung“ der Daten der am Sonntag abgestürzten Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines dauere an. Sollten sich dabei Hinweise ergeben, die die Flugtauglichkeit der Maschinen in Frage stellten, werde die FAA „sofortige und angemessene Maßnahmen“ ergreifen.

Was können Reisende tun, die bereits gebucht haben?

Auf dem britischen Twitter-Account von Norwegian erkundigen sich bereits verunsicherte Passagiere, ob ihr Flug etwa mit einer Max erfolge. Wer deshalb vom Flug zurücktreten und sein Geld einfordern möchte, muss „Kampfwillen“ und einen langen Atem haben, meint der Luftverkehrsrechtler Ronald Schmid. Ein Verfahren, das sicher bis zum Bundesgerichtshof gehen würde, könne sich gut zwei bis drei Jahre hinziehen, mit offenem Ausgang.

Denn man bewegt sich in einer Grauzone. Bei der Buchung von Pauschalreisen nennen viele Veranstalter ohnehin nur vage die Fluggesellschaft, so Schmid. Wenn nicht ganz konkret der Name der Airline und der eingesetzte Flugzeugtyp genannt werden, müsse der Reisende „hinnehmen, was da kommt“, bemängelt der Experte.

Dass in der gegenwärtigen Situation die Versicherung einer Fluggesellschaft bei einem Flug mit einer Max nicht haftet, müsse ein Passagier indessen nicht befürchten, erläuterte Schmid. Gegenüber dem Reisenden sei sie auf jeden Fall in der Pflicht, theoretisch könnte sie jedoch die betroffene Fluggesellschaft in Regress nehmen.

Bereits 2013 hatte Boeing mit seinem neu entwickelten Modell 787 „Dreamliner“ erhebliche Probleme, die zu einem mehrmonatigen Flugverbot führten. Zuvor war es zu zwei Bränden durch die bordeigenen Lithium-Ionen-Batterien gekommen. Erst nach aufwendigen Umbauten konnten die Maschinen wieder starten, heute ist die 787 längst ein Erfolgsmodell. (mit dpa)

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