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Nicht garstig sein zu den Engländern. Angela Merkel, Bundeskanzlerin, am Montag in Berlin.

© AFP

Brexit und die Magie von Angela Merkel: Der Garstigen Verzwergung

Angela Merkel findet, man solle jetzt nicht garstig zu den Engländern sein. Garstig? Was bedeutet dieser Begriff aus dem Munde der Bundeskanzlerin? Eine Glosse.

Eine Glosse von Lars von Törne

Im Grunde ist auch der Brexit nur wieder ein Anlass für die Kanzlerin, ihre Magie vorzuführen. Diese Magie zeigt sich nicht in atemraubenden Tricks, sie würde beispielsweise nie Boris Johnson mit einem Cruciatus-Fluch foltern oder Horst Seehofer in ein Bund Heilkräuter verwandeln, obwohl ihr all diese Dinge zweifellos zu Gebote stehen. Aber als Premium-Zauberin weiß sie um das Verhängnisvolle solcher Machtdemonstrationen und bleibt immer konsequent in der Mitte, in der Mitte von allem.

Ihre furchtbarste Waffe ist die Harmlosigkeit. Als am Wochenende alle Wichtigen sich überboten in Drohungen nach London, in Jetzt-aber-raus- Flüchen und Exit-sofort-Aufforderungen, da sprach Angela Merkel: Man solle jetzt aber nicht garstig sein zu den Engländern.

Garstig! Garstig? Viele haben das Wort vermutlich nachgeschlagen, weil es zum letzten Mal auf Kindergeburtstagen der Adenauer-Zeit zu hören war. Immer dann, wenn der kleine Karl-Heinz noch ein Stück von der Torte mit den Dosenpfirsichen genascht hatte und folglich, wie man damals auch sagte, ausgeschimpft wurde für sein gieriges Verhalten. Garstig waren die Hexen in den Grimm’schen Märchen, die alten Weiber mit den Warzen auf der Nase und den gichtigen Fingern, mit denen sie Eulenspucke und Krötenschleim gewannen für ihre schwarze Magie. Das erschreckt heute nicht einmal mehr Waldorf-Schüler.

Alles nur ein Kindergeburtstag

Aus dem Mund der Kanzlerin bedeutet die Wahl dieses Begriffs also: Sie lässt das europäisch-britannische Erdbeben zu einem Kindergeburtstag zusammenschnurren. Jetzt benehmt euch doch mal, sagt sie indirekt, fasst euch alle an die Hände, piep, piep, piep. Und dann singen wir noch was Schönes von Rolf Zuckowski oder so. Nichts Politisches! Politisch Lied, ein garstig Lied – das haben uns Goethe und Hoffmann von Fallersleben schon vor Jahrhunderten eingeimpft, zwei, die die deutsche Leitkultur damals ja praktisch erfunden haben.

Um nicht zu weit abzuschweifen: Der Trick der Kanzlerin bestand also, ja, in einer Art Kontrahentenverzwergung. Die Streithähne sollten sich bewusst werden, dass sie, aus Staub geboren, in den Staub zurückkehren werden und ihre Zeit nicht damit vergeuden sollen, garstig zu sein. Ob es was genützt hat? Die deutschen Fußballer waren daraufhin sehr garstig zu den Slowaken, denn irgendwo muss der Zorn ja hin. Und das hat ganz bestimmt Merkels Segen.

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