zum Hauptinhalt

Bundestagswahl: Wahlkampf in Netzwerken

Angela Merkel und Frank-Walter-Steinmeier sammeln eifrig Freunde – bei Facebook und StudiVZ.

Berlin - Man soll den Wähler dort abholen, wo er ist, heißt es in der Politikberatung. Da vor allem junge Stimmberechtigte viel Zeit im Internet verbringen, buhlen die Bewerber ums Kanzleramt nicht mehr nur auf den Marktplätzen um des Volkes Gunst, sondern auch in den sozialen Netzwerken im World Wide Web. Sowohl die christdemokratische Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch ihr Herausforderer Frank-Walter Steinmeier von der SPD haben sich auf Facebook und StudiVZ angemeldet und eigene Profile erstellen lassen. Nun hat der Wettlauf um die meisten Freunde und Unterstützer begonnen. Jeder StudiVZ- oder Facebook-Nutzer kann mit den Kandidaten Freundschaft schließen. Die verschicken dann private Nachrichten an ihre Netzwerke oder erstellen öffentliche Mitteilungen, die alle User einsehen können.

Simon Fietze hat das typische Profil eines Steinmeier-Freunds. Er ist 34 Jahre alt, hat studiert und ist seit 16 Jahren Sozialdemokrat. „Facebook nutze ich seit etwa einem Jahr und bin dort fast täglich unterwegs“, berichtet Fietze. In seinem Gruppenregister bekennt er sich nicht nur zu Steinmeier, sondern outet sich auch als „Pirat in der SPD“, einer von Ex-Juso-Chef Björn Böhning mitbegründeten Gruppe gegen das Kinderpornografiegesetz. Immerhin 1550 User haben sich da bereits zusammengeschlossen.

Für Karl-Peter Hellemann ist Steinmeier „auch vorher schon der Fixpunkt gewesen“. Deshalb trat er seiner Unterstützergruppe auf Facebook bei. Der 60-Jährige ist seit 40 Jahren SPD-Mitglied. Auf Facebook ist Hellemann nicht nur mit Steinmeier befreundet, sondern auch mit Peer Steinbrück, Franz Müntefering und Parteirebell Ottmar Schreiner. Für Hellemann ist das kein Widerspruch. Er unterstützt ja auch die beiden Niedersachsen-Fußballrivalen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig. Hellemann ist international vernetzt, er hat durch die Gruppe „Mir Hossein Mousavi“ sein Ohr an den Meldungen der iranischen Opposition.

Der SPD-Kandidat ist auch im Nachbarland Frankreich bekannt. Die 23-jährige Aline Blattner aus Straßburg ist Mitglied der französischen Sozialisten und will den deutschen Parteikollegen auf StudiVZ unterstützen. Laut ihrer Gruppen schwärmt sie nicht nur für Steinmeier, sondern auch für Pink Floyd und „Historiker – the most sexiest men ever“. So heißt eine Gruppe, welche die Liebeskünste von Geschichtsforschern rühmt. „Die Nachrichten von Steinmeier schaue ich mir aber nur selten an“, sagt Aline Blattner. Doch für Steinmeier würde sie schon mal früher aufstehen, trotz ihrer Gruppe „Verdammt, schon 14 Uhr, und ich hab noch nicht mal gefrühstückt“.

Angela Merkel hat sich ebenfalls Freunde gemacht. Ihre Fans sind nicht vorwiegend Parteimitglieder wie bei Steinmeier. Merkel zieht auch offensichtlich unpolitische Internauten an. David Rösch beispielsweise. „Ich mag unsere Bundeskanzlerin“, das reicht dem 19-Jährigen, um Merkel-Unterstützer zu werden. „Ich freue mich über jeden Beitrag von der Angela.“ Seine große Leidenschaft ist nicht die Politik, sondern Basketball. NBA-Star Dirk Nowitzki erweist er in einer eigenen Gruppe die Ehre.

Wie bei Steinmeier zieht die Bekanntheit der Kanzlerin auch im Ausland. Helena Wulandari aus Jakarta in Indonesien hat mit der CDU und dem anstehenden Straßenwahlkampf wenig am Hut. „Ich bin einfach big Fan von Merkel“, sagt die 37-jährige Juristin. Sie nutzt Facebook fast jeden Tag. Deshalb wünscht sich die Indonesierin „noch mehr Beiträge der Kanzlerin“.

Eines der CDU-Mitglieder unter den Merkel-Fans ist Michael Wienholz, 21 Jahre alt. Er will, für alle sichtbar, zu seiner „politischen Überzeugung stehen“. Aber: „Näher fühle ich mich der Kanzlerin dadurch nicht unbedingt.“ Sich selber beschreibt er auf seinem Profil als „nice, funny, smart, open minded, young“. Natürlich auf Englisch, die Welt muss ja mitlesen können. Und wie steht es mit der Authentizität von Politikern im World Wide Web? „Ich bin Merkel schon persönlich begegnet und denke, dass sie sich im Internet nicht viel anders verkauft als in der Realität“, versichert Michael Wienholz.

Am Sonntag lag Angela Merkel im Fan-Ranking übrigens klar vor Frank-Walter Steinmeier. Auf StudiVZ führte sie mit 64 268 zu 16 675 Anhängern, auf Facebook stand es 14 712 zu 5264 für die Kanzlerin.

Bisher erschien in unserer Wahl-Online-Serie: Barack Obamas Wahlkampf.

Marc Mudrak

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false