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Starke Mitte? Es beschreibt das Ziel, nicht den Zustand der CDU.

© Tobias Schwarz,AFP

CDU-Parteitag in Leipzig: Kein Aufbruchssignal bei der Union

Mit Verzögerung hat die CDU nun das Problem der SPD. Es herrscht Verdruss wegen des unklaren Profils und der Kompromisse in der Koalition. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Der Satz von Friedrich Merz ist eine Drohung. Dieser CDU-Parteitag sei nur der Beginn eines einjährigen Prozesses, sagte er in Leipzig. Dann käme es zum Schwur. In einem Jahr muss sich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer der Wiederwahl stellen – und bis dahin soll auch die Kanzlerkandidatur geregelt sein. Diese offene Frage bleibt neben der Kurs- und Profilsuche die große Hypothek der Christdemokraten. In Zeiten, in denen die Demokratie unter Druck ist, in denen die Mitte kleiner wird, wirkt die CDU verunsichert – statt Revolution will man nach harten Wochen aber erst einmal Harmonie und Einigkeit.

Kramp-Karrenbauer hat in Leipzig einen Befreiungsschlag gelandet, dazu gehört das Versprechen, wieder mehr Zukunftswerkstatt statt sozialer Reparaturbetrieb an der Seite der SPD zu sein. Das Siechtum des Koalitionspartners eint die CDU – es ist eine Warnung.

Doch wenn die Vorsitzende kein Jahr nach ihrer Wahl offen die Machtfrage stellen muss und droht, dass man auch jetzt alles beenden könne, hat sie ein Problem. Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ hat Leipzig sie vorübergehend gestärkt und die Führungsfrage zu ihren Gunsten entschieden. Ein Jahr nach seiner verpatzten Rede bei der Bewerbung um den Parteivorsitz verstolpert Merz auch zu Beginn seinen Leipziger Auftritt, als er sich und die CDU als loyal lobt. Kopfschütteln im Saal. Wer hat Merkels Regierung noch mal ein grottenschlechtes Erscheinungsbild attestiert und das Revolutionsgeraune damit befeuert? Viel gefährlicher könnten Kramp-Karrenbauer am Ende ohnehin Armin Laschet und Jens Spahn werden, die ihr noch den Rücken stärken.

Ursula von der Leyen, Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer reden direkt hintereinander. Die neue EU-Kommissionspräsidentin, die seit 14 Jahren amtierende Kanzlerin und die CDU-Vorsitzende. Ein Signal, was diese Partei und ihre Frauen erreicht haben. Sie können ein Lied davon singen, wie Machtkämpfe zu gewinnen sind. In Sachen Taktik kann ein Merz einiges von ihnen lernen. Aber es ist eine fragile Momentaufnahme.

Enorme Fliehkräfte

Von der Leyen wird große Mühe haben, Europa zusammenzuhalten. Merkels Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz hat enorme Fliehkräfte in der CDU hervorgerufen, ihr Erbe wird immer kritischer beurteilt. Und die Zweifel an Kramp-Karrenbauer schwelen weiter. Und wie will die CDU Vertrauen zurückgewinnen, Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit finden? So wie die Gesellschaft auseinandertreibt, werden auch die Flügel der CDU weiter schlagen.

Mit Verzögerung erfasst die Partei das Problem der SPD – Verdruss und Profilverwässerung wegen der Koalitionskompromisse. Und will man AfD-Anhänger zurückgewinnen und die Grünen bekämpfen oder eine schwarz-grüne Koalition vorbereiten? Wie die Spaltung zwischen Stadt und Land überwinden? Die Bauern gehen bereits von der Stange.

Kramp-Karrenbauer skizziert, wofür die CDU stehen muss: Wohlstand statt Wohlfahrt für alle, Stärkung von „Made in Germany“, Bürokratieabbau, schnellere Genehmigungen, weniger Auflagen, auch eine Rettung des Verbrennungsmotors. Aber der CDU-Motor stottert und die Gesellschaft ist gespalten am Ende der Ära Angela Merkel. Leipzig 2019 ist kein Aufbruchssignal wie der Reformparteitag 2003, sondern bestenfalls eine Atempause.

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