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Atomkraft: Da strahlt Rot-Grün

Die Landesregierung in Hannover feiert den Endlagerkompromiss mit Bundesumweltminister Peter Altmaier.

Hannover - In einem Punkt zeigten sich Niedersachsens rot-grüne Atommüll- Emissäre dann doch uneinig. Die endgültige Auswahl eines Endlagerstandortes für hoch radioaktive Abfälle werde spätestens im nächsten Jahrzehnt getroffen, erklärte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag in Hannover. „Ich rechne eher mit dem übernächsten Jahrzehnt“, entgegnete Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne).

Immerhin. Nach Jahren des Stillstands und der festgefahrenen Diskussionen um den Salzstock Gorleben scheint jetzt eine geordnete Suche nach einer Atommüll- Lagerstätte in Gang zu kommen. Am Vortag hatten Weil und Wenzel sich mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) überraschend auf Grundzüge eines Auswahlverfahrens geeinigt. Danach soll zunächst eine „größtenteils öffentlich“ tagende Enquete-Kommission mit 24 Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Umweltverbänden, Kirchen, Gewerkschaften und Wirtschaft bis Ende 2015 mit einer Zweidrittelmehrheit Kriterien für einen Standort entwickeln: vor allem Sicherheitsanforderungen für die drei potenziellen Wirtsgesteine Salz, Ton und Granit festlegen, aber auch die Frage einer möglichen Rückholbarkeit der strahlenden Abfälle beantworten sowie die Beteiligung der Bürger sicherstellen.

Für Altmaier war es ein Durchbruch. Von einer „Stunde null in der Endlagersuche“ und einem Meilenstein sprachen seine Gesprächspartner Weil und Wenzel. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte den Kompromiss, die SPD-Spitze in Berlin und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) signalisierten ihre Unterstützung. Atomkraftgegner aus dem Wendland und Umweltgruppen reagierten dagegen skeptisch bis ablehnend, warnten vor einer Mogelpackung. Hauptkritikpunkt: Der Salzstock Gorleben bleibt vorerst im Rennen – entgegen den Versprechen von Weil im niedersächsischen Wahlkampf.

Von einem Einknicken wollte Weil nichts wissen. Noch nie seien die Bedenken der Gorleben-Gegner so stark aufgenommen worden, sagte er. Zwei Beruhigungspillen hält der Kompromiss bereit: Sämtliche Erkundungsarbeiten im Bergwerk würden unbefristet eingestellt, versicherte Wenzel. Gleiches gelte für die noch ausstehenden Castortransporte ins Zwischenlager Gorleben. Drei Atommüll-Fuhren mit insgesamt 21 Behältern abgebrannter Kernbrennstoffe aus der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield waren für 2015 und die Folgejahre vorgesehen. Diese sollen nun wohl in die Zwischenlager an den deutschen Atomkraftwerken gehen – wenn die betroffenen Bundesländer mitspielen. Nebeneffekt für die neue rot-grüne Landesregierung: Unschöne Bilder von gewalttätigen Castorprotesten bleiben ihr erspart.

Bis zum Sommer soll das Endlagergesetz stehen, hatten die drei Gesprächspartner in Berlin vereinbart. Wenzel, einer der schärfsten Kritiker der bisherigen Entwürfe aus dem Hause Altmaier, sah jetzt die grünen Forderungen durch den Kompromiss weitgehend erfüllt. Neben der Enquete-Kommission sind das die Eröffnung des Rechtsweges für betroffene Bürger vor den Verwaltungsgerichten, das Verbot von Enteignungen vor einer Standortentscheidung sowie der Ausschluss von Privatisierungen von Aufgaben bei der Standortsuche. Peter Mlodoch

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