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US-Präsident Donald Trump

© imago/UPI Photo

Mögliche US-Intervention in Syrien: Das Irak-Desaster darf sich nicht wiederholen

Nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien droht eine US-Intervention. Jetzt ist Transparenz gefordert, anders als vor 15 Jahren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es geschah vor 15 Jahren. Am 5. Februar 2003 trat US-Außenminister Colin Powell trat vor den UN-Sicherheitsrat und präsentierte „Beweise“ dafür, dass der Irak unter Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügt. Es war eine riesige Show. Nie zuvor war eine Sitzung des Sicherheitsrates weltweit mit so großer Spannung verfolgt worden. Powell zeigte Satellitenaufnahmen, spielte abgehörte Telefonate vor, zitierte Augenzeugen. Die Indizienkette wurde lang und länger. Alle Zweifel schienen ausgeräumt worden zu sein.

Dieser Auftritt war für die Bush-Regierung gewissermaßen die öffentliche Legitimation der folgenden Militärintervention. Massenvernichtungswaffen wurden dort nie gefunden. Später kam heraus, dass einiges Material vom amerikanischen Geheimdienst manipuliert worden war. Powell selbst entschuldigte sich später für die von ihm verbreiteten Lügen.

Regierungen müssen ihre Maßnahmen erklären und begründen. Der Bürger hat ein Recht darauf. Vertrauen ist die Grundlage jeder funktionierenden Demokratie. Das gilt zu allererst für den Einsatz von Militär. Nicht nur, weil ein solcher die Souveränitätsrechte anderer Staaten berührt, sondern auch, weil Teile der eigenen Bevölkerung einem erheblichen Risiko ausgesetzt werden. Deshalb stimmt in Deutschland das Parlament über jeden Militäreinsatz ab. Das garantiert zumindest ein hohes Maß an Transparenz.

Im Netz kursieren grauenhafte Bilder

Nun steht womöglich erneut ein amerikanischer Militärschlag bevor. US-Präsident Donald Trump macht den syrischen Diktator Baschar al-Assad für einen Giftgasangriff auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Duma verantwortlich. Er spricht von einem "barbarischen Akt" und droht mit Luftschlägen. Bei dem Giftgasanschlag sollen nach Angaben der syrischen Bobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 150 Menschen getötet und tausend verletzt worden sein. Im Netz kursieren grauenhafte Bilder von vergifteten Kindern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel meint, eine "sehr klare Evidenz" für den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien zu haben, vermeidet es aber, einen Schuldigen zu benennen. Der russische UN-Botschafter dagegen spricht von einem inszenierten Vorfall. Eine internationale Untersuchung lehnt Moskau ab. Von unabhängiger Seite sind die Angaben der Beobachtungsstelle folglich nicht zu überprüfen.

Was tun? Russland hat schon oft gelogen – bei der Krim, bei der Ost-Ukraine, beim Abschuss des Malaysia-Airline Fluges 17. Andere Verbrechen wurden nie restlos aufgeklärt, wie die Morde an der Journalistin Anna Politkowskaja oder dem Dissidenten Boris Nemzow. Unklar wiederum sind die genauen Hintergründe des Nervengiftanschlags auf den früheren KGB- und Doppelagenten Sergej Skripal. Die britische Regierung hat sehr schnell mit dem Zeigefinger in Richtung Wladimir Putin gezeigt. Doch die Beweise, die bislang vorgelegt wurden, sind eher dürftig. Deutsche Geheimdienstexperten halten sie für nicht sehr robust.

Russland und Amerika sind auf Konfrontationskurs

In Syrien droht eine Eskalation. Russland und Amerika sind auf Konfrontationskurs. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron könnte ebenfalls militärisch gegen das Assad-Regime intervenieren. Israel hat Stellungen des Iran ins Visier genommen, der Iran kündigt Vergeltung an. In dieser Lage ist ein Höchstmaß an Transparenz das Mindeste, was die Bürger des freien Westens von ihren Regierungen fordern müssen. Nebulöse Hinweise auf Geheimdiensterkenntnisse sind zu wenig.

Es gibt gute Gründe, Putin für gefährlicher als Trump zu halten, Menschenrechtsorganisationen für glaubwürdiger als das Assad-Regime und Israel im Kampf gegen die Mullahs in Teheran zu unterstützen. Jeder Militäreinsatz indes bedarf einer Legitimation, die sich ihrerseits auf Fakten und Belege stützen sollte. Bürger müssen ihren Regierungen vertrauen, aber sie müssen ihnen auch vertrauen können. Durch Geheimniskrämerei wird nur die Propaganda der Gegenseite gestärkt.

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