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Trump-Anhänger am 6. Januar 2021 vor dem Kapitol am Washington

© AFP/Getty Images/Samuel Corum

Der 6. Januar 2021 und die Folgen: Das Schweigen vieler Republikaner ist Gift für die US-Demokratie

Über den Sturm aufs Kapitol wollen Republikaner kaum noch reden. Indem sie den Bruch mit Donald Trump scheuen, gehen sie ein großes Risiko ein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

War da was? Schaut man sich das Verhalten der Republikanischen Partei in den USA an, ist am 6. Januar 2021 nichts wirklich Dramatisches passiert. Am heutigen Gedenken im Kongress wird kaum einer ihrer Vertreter teilnehmen.

Fragen nach der Verantwortung ihres ehemaligen Präsidenten Donald Trump an dem Versuch, eine demokratische Wahl mit Gewalt zu sabotieren, weichen konservative Kongressmitglieder aus. Rechte Medien ziehen die Aufregung über die Ausschreitungen ins Lächerliche.

Und Trump selbst sagte am Mittwochabend eine für den Jahrestag geplante Konter-Pressekonferenz ab. Damit schloss er sich wenn auch widerwillig der Lesart an, Schweigen sei zumindest an diesem Tag die beste Taktik.

[Lesen Sie auch: Tote, Verletzte, Erschütterte: Die USA und das Trauma der Kapitol-Erstürmung (T+)]

Wäre die Lage nicht so bitterernst, könnte man die republikanischen Mandatsträger mit Kindern vergleichen, die sich ihre Augen zuhalten, um etwas verschwinden zu lassen. Die Gewalt, von der sie sich unzureichend oder gar nicht distanzieren, löst sich aber nicht in Luft auf, nur weil man sie ignoriert.

Droht ein Bürgerkrieg?

Im Gegenteil: Die Gefahr, dass ihr Schweigen, ihre mangelnde Distanzierung von der amerikanischen Dolchstoßlegende des 21. Jahrhunderts die wahnhaften Kräfte in den eigenen Reihen weiter stärkt, ist riesig. Dazu kommen besorgniserregende Versuche, in den für die Durchführung der Wahl zuständigen Bundesstaaten, die Stimmabgabe zu erschweren.

War also der 6. Januar nur ein Vorbote neuer, gewalttätiger Zeiten, gar eines Bürgerkriegs, wie ihn manche Beobachter prophezeien? Wird die nächste Wahl nicht an den Urnen, sondern von gezielt in Bundesstaaten positionierten Strippenziehern entschieden? Schafft es Trump – so er denn antritt – beim nächsten Mal, seinen Putsch-Plan durchzuziehen?

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Auch wenn Optimismus an manchen Tagen besonders schwerfällt und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten spätestens seit der Ära Trump tatsächlich nichts mehr undenkbar scheint: Festzuhalten ist, dass die Amerikaner es geschafft haben, sich eines gefährlichen Populisten in einer Wahl zu entledigen.

Zwei von drei Republikanern glauben die Erzählung der "gestohlenen Wahl"

Auch ist trotz aller Umfragen, die belegen, dass mehr als zwei Drittel der Republikaner an Trumps „Big Lie“-Erzählung von der gestohlenen Wahl glauben, die Mehrheit der Amerikaner eben nicht dieser Auffassung. Mancherorts zeigt sich zudem bereits, dass Republikaner bei Wahlen besser abschneiden, wenn auf dem Stimmzettel auch indirekt kein Trump mehr steht.

Grund für Entwarnung ist das alles nicht. Und schon gar kein Grund, die Republikaner aus ihrer Verantwortung dafür zu entlassen, dass sie die Chance verstreichen ließen, nach dem 6. Januar mit Trump zu brechen.

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Aber die Demokraten haben ebenfalls eine Verantwortung. Auch sie sollten das Vertrauen in die demokratischen Strukturen des Landes nicht zusätzlich schwächen, wenn sie etwa vom Supreme Court als „Trump-Gericht“ sprechen, weil dieser unter dem früheren Präsidenten konservativer geworden ist.

Und würde die Demokratische Partei heute noch ein ähnlich knappes, umstrittenes und letztlich vom Obersten Gericht entschiedenes Wahlergebnis akzeptieren, wie sie es bei der Entscheidung zwischen George W. Bush und Al Gore im Jahr 2000 getan hat? Wohl eher nicht. Auch das ist bedenklich.

Verlorenes Vertrauen wiederherzustellen ist schwer. Unmöglich ist es nicht. Das beste Mittel gegen Populisten ist und bleibt gute Regierungsarbeit, über die man aber auch gut reden sollte.

Als stärkste Waffe gegen eine Wiederkehr von Trump und eine Wiederholung des 6. Januars empfiehlt Thomas Friedman in der „New York Times“, sich mehr auf positive Nachrichten zu konzentrieren. Und sein Kollege Paul Krugman verweist auf die wirtschaftliche Erholung, die zu wenig thematisiert werde.

Gleichzeitig müssen aber all die republikanischen Mandatsträger, die es besser wissen – und die gibt es –, offen über die von Trump ausgehende Gefahr reden. Schweigen ist in dieser Frage nicht Gold, sondern Gift.

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