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Teilnehmer einer Demonstration verbrennen am 10.12.2017 eine selbstgemalte Fahne mit einem Davidstern in Berlin im Stadtteil Neukölln.

© picture alliance / Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V./dpa

Verbrennen von Israel-Flaggen: Das Strafrecht ist ein schlechter Ort für Solidaritätsversprechen

Die Koalition erwägt, die Flagge mit dem Davidstern besonders zu schützen. Ein Vorschlag, der auch aus außenpolitischen Gründen Skepsis verdient. Ein Kommentar.

Dass sich eine Koalition aufrafft, Strafgesetze zu streichen, ist selten geworden. Wir erinnern uns: Im Zuge der Debatte um Jan Böhmermanns Erdogan-Schmähung wurde die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter abgeschafft, die der türkische Präsident bei den deutschen Behörden angezeigt hatte und vergeblich verfolgen ließ. Ein alter Zopf, hieß es, dringend mal abschneiden. Im Strafrecht hängen einige Zöpfe herum. Anders als bei Erdogan ist es unpopulär, sie abzuschneiden.

Der politische Wille ist deutlich leichter zu lenken, wenn es darum geht, neue Strafgesetze zu erfinden. Als jüngstes Projekt bietet sich an, das Verbrennen der israelischen Flagge zu verbieten. Ausländische Flaggen sind bisher nur geschützt, wenn sie einem nicht selbst gehören und von anderen öffentlich gezeigt werden. Wer selbst eine hat, kann damit anstellen, was er will. Einige Brandfälle Ende letzten Jahres hatten die Diskussion entzündet. Antisemitische Ausfälle von Schülern dürften sie beschleunigt haben.

Der Bundesrepublik steht es frei, Israels Flagge wie die eigene vor jeglichem öffentlichen „Verunglimpfen“ zu bewahren. Sie könnte dies isoliert oder wohl auch mit allen Flaggen der Erde tun, insbesondere auch der der USA, wie es die AfD jetzt anregt. Der Judenhass und/oder die Feindschaft gegenüber dem Staat Israel, die im Verbrennen zum Ausdruck kommen, wären dann nicht mehr in dieser Weise sichtbar. Das erfüllt vielleicht nicht alle Hoffnungen, damit Antisemitismus zurückzudrängen, darf aber als gewisse Erleichterung gelten.

Rechtspolitisch handelt es sich jedoch um nichts anderes als einen besonderen Ehrschutz für ein anderes Land und seine Regierung, ähnlich dem, der nach der Böhmermann-Satire als nicht mehr zeitgemäß empfunden wurde. Beschränkt man ihn auf Israel, würde sich damit wohl zusätzlich ein besonderes politisches Solidaritätsversprechen verbinden, das andere Nationen ausschließt: Alles, was unter Israels Flagge geschieht, wird von Deutschland unterstützt.

Es liegt nichts Antisemitisches darin, derartige Bindungen skeptisch zu sehen, zumal wenn sie über das Strafrecht vermittelt werden sollen. Schließlich soll Strafrecht die „ultima ratio“ sein, das letzte Mittel, zu dem die Politik greift. Den diplomatischen Horizont im Blick zu behalten, ist Sache der Exekutive, weshalb es auch verständlich ist, dass sich die Regierung hier bislang mit einer eigenen Initiative zurückhält – wenngleich Kanzlerin Merkel damals explizit „alle Mittel“ ins Spiel gebracht hatte, um Israels Flagge aus dem Feuer zu holen.

Übrigens gab es auch vereinzelt Kritik an der Abschaffung der „Majestätsbeleidigung“. Dass ein Strafgesetz alt ist und fast nie angewendet wird, muss nicht bedeuten, dass es überflüssig ist. Man kann auch sagen: Es hat sich bewährt.

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