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Olaf Scholz (SPD)

© dpa/Michael Kappeler

„Ziel ist nicht ein Regime Change“: Scholz arbeitet nicht auf Machtwechsel in Moskau hin

Bei Sandra Maischberger blickt der Bundeskanzler zurück auf das Wochenende in Russland und äußert sich zum Höhenflug der AfD. Auf seine Regierung will Scholz nicht viel kommen lassen.

Olaf Scholz ist ein kontrollierter Politiker, der es für eine seiner größten Stärken hält, auch unter Druck einmal nichts zu sagen – und sich darüber ärgert, wenn andere nicht so standhaft sind wie er.

Aber selbst der sozialdemokratische Kanzler sagt in einer Live-Situation ohne Redemanuskript Dinge, über die im Anschluss noch zu reden ist. Das gilt erst recht, wenn er eine ganze Stunde lang der erfahrenen Journalistin Sandra Maischberger Rede und Antwort stehen muss, wie das in ihrer am späten Mittwochnachmittag aufgezeichneten Sendung der Fall gewesen ist.

So erfahren die Zuschauerinnen und Zuschauer auch ein paar private Dinge, über die ihr Regierungschef sonst nicht so gerne spricht. Dass beispielsweise die Silberhochzeit mit seiner Frau Britta Ernst mit dem nächsten SPD-Bundesparteitag kollidiert.

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Oder dass der kleine Olaf „ein fleißiger Schüler“, aber auch ein Besserwisser war („ich fürchte“). Das denken manche in seinem Kabinett möglicherweise immer noch, aber bei der Frage danach kommt dann doch wieder der typische Scholz durch, der sich mit einer Gegenfrage um die Antwort drückt: „Fragen Sie sie!“

Machtwechsel in Moskau kein Ziel

Politisch interessant ist die Einschätzung des Kanzlers zum zurückliegenden Chaos-Wochenende in Russland. „Das ist eine gefährliche Situation gewesen“, sagt Scholz zum Putschversuch gegen Präsident Wladimir Putin und meint damit offensichtlich die Möglichkeit, dass die Kontrolle über das Moskauer Kernwaffenarsenal in die Hände von Jewgeni Prigoschin und dessen „aggressiver“ Wagner-Privatarmee hätte geraten können.

„Russland ist eine Atommacht“, betont der Kanzler gleich zweimal. Und: „Wir wissen ja gar nicht, ob nach Putin jemand kommt, der besser oder schlechter ist.“ Scholz fragt sich im Gegensatz zu manch anderen Analysten der aufständischen Lage, „ob sie schon vorbei ist“.

Bei aller Kritik an Putin, dessen Begründung für den Krieg gegen die Ukraine „jetzt sogar der Putschführer“ als falsch bezeichnet habe, stellt Olaf Scholz klar, dass die Nato-Staaten und er nicht auf einen Machtwechsel im Kreml hinarbeiten: „Ziel unserer Unterstützung für die Ukraine ist nicht ein ,Regime Change‘ in Moskau.“

Geschwächt sieht er das System Putin dennoch, da seine „Machtstrukturen Risse haben“, wie der Kanzler sagt. Zumindest öffentlich traut er sich freilich kein Urteil darüber zu, ob und wie lange sich Putin so halten kann.

Mit der Informationslage durch den Bundesnachrichtendienst, der von den Entwicklungen in Russland „nicht vorher gewusst“ hat, ist er ebenfalls nicht zufrieden. Es stört ihn ganz offenbar auch, dass die amerikanische Seite trotz der gerade von Scholz so betonten transatlantischen Partnerschaft ihr angebliches Vorab-Wissen nicht weitergereicht hat: „Das werden wir gemeinsam miteinander zu besprechen haben.“

Nicht neu ist, dass Scholz Grad und Geschwindigkeit der deutschen Militärhilfe für Kiew als genau richtig empfindet. Sie sei eben so angelegt worden, dass sie auch bei einem längeren Kriegsverlauf fortgeführt werden könne: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass es lange dauern kann.“

Besonders für jene, die Scholz schon vergangenes Jahr über Monate etwa zur Lieferung von Kampfpanzern gedrängt haben, dürfte freilich Neuigkeitswert haben, dass der Kanzler meint, diese Art von Hilfe sei „nach dem Winter überhaupt erst möglich“ gewesen. Was genau er damit meint, werden manche in seiner Ampel-Koalition nun möglicherweise nachträglich wissen wollen.

„Rechtspopulistische Schlechte-Laune-Parteien“

Auf seine Regierung will Scholz nicht viel kommen lassen, er wünscht sich nur, dass sie „manchmal etwas geschmeidiger“ funktionieren möge. Er räumt zwar ein, dass der monatelange Streit über das Heizungsgesetz „keinen guten Eindruck“ hinterlassen habe. Den Vorwurf aber, die Politik der Ampel sei für den Höhenflug der AfD verantwortlich, weist der Kanzler von sich.

Die Gründe dafür lägen „tiefer“, „rechtspopulistische Schlechte-Laune-Parteien“ gebe es in vielen reichen westlichen Ländern. Weil sie von den Zukunftsängsten der Bürger lebten, müsse die Politik diese mit „Respekt“ behandeln und diese Sorgen zu lindern versuchen – das alte Wahlkampfmotto des Sozialdemokraten.

Als Maischberger hier kritisch einhakt, verweist Scholz auf die Energiepreisbremsen seiner Regierung und lässt zudem erkennen, dass er sich einen Konsens in der Mindestlohn-Kommission und auch eine höhere Entgelt-Untergrenze als jene 12,82 Euro, die nun in zwei Schritten erreicht werden sollen, wünscht.

Eine Senkung oder gar Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wie in Spanien, das damit gegen die hohe Inflation vorgeht, lehnt der Regierungschef hingegen entschieden ab: „Man muss das ja hinterher wieder anheben, dann geht es wieder nach oben.“

Bei der Gelegenheit erfährt das Publikum auch, dass alle Kabinettsmitglieder vereinbart haben, die Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro, die auch ihnen nach Übernahme des Tarifabschlusses aus dem öffentlichen Dienst zusteht, spenden wollen.

Für weiteren Gesprächsstoff sorgen könnte noch die Antwort auf eine eigentlich völlig unverfängliche Frage. Nachdem Maischberger früh in der Sendung nach seinen angeblichen Erinnerungslücken vor dem Hamburger Cum-ex-Untersuchungsausschuss gefragt hatte, die Scholz auch bei einem Kanzler für „unvermeidlich“ hielt, wollte sie gegen Schluss noch etwas zu seinen Ambitionen in jungen Jahren wissen.

Ob denn die Version seines Vaters stimme, dass er schon mit zwölf habe Bundeskanzler werden wollen? Scholz muss passen: „Da habe ich eine echte Erinnerungslücke.“ Eine „echte“? Welcher Art sind dann die anderen?

Große Ankündigungen gibt es nicht, dafür aber eine politische Festlegung, die später vielleicht einmal interessant wird: Zum Ende der Wahlperiode soll das „neue Deutschland-Tempo“ auch beim Klimaschutz erreicht werden. Dann sollen „täglich vier bis fünf neue Windräder ans Netz gehen”.

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