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Söldner-Führer Jewgeni Prigoschin gewährt einem Fan ein Selfie.

© dpa/AP/Uncredited

Deutschlands Auslandsgeheimdienst: „Im Fall des Wagner-Putsches hat die Früherkennung versagt“

Die Bundesregierung wurde von den Entwicklungen in Russland offensichtlich überrascht. Nun fordert die Opposition Rechenschaft und eine verbesserte Aufklärung.

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Nach möglichen Fehleinschätzungen zum Aufstand der Söldnertruppe von Jewgeni Prigoschin in Russland steigt der Druck auf Bundesregierung und Bundesnachrichtendienst (BND), Versäumnisse zu erklären und die Aufklärung im Ausland zu verbessern. Im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) zur Überwachung der Geheimdienste soll die Regierung nun umfassend Auskunft geben.

„Im Fall des Wagner-Putsches hat die Früherkennung der Bundesregierung offenkundig versagt“, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), dem Tagesspiegel. Bundesnachrichtendienst und Auswärtiges Amt verfügten über „umfassende Ressourcen und zahlreiche Instrumente zur Krisenfrüherkennung“. Zwar seien nicht alle Entwicklungen vorherzusehen. Allerdings müsse „der Krieg gegen die Ukraine und die Lage in Russland natürlich das Hauptaugenmerk der Analysten in den Ministerien sein“.

Der CDU-Abgeordnete forderte, die Bundesregierung müsse nun „konkrete Vorschläge erarbeiten, wie Auswärtiges Amt und BND ihren Aufgaben in der Früherkennung besser nachkommen können“. Dazu gehöre insbesondere auch ein besserer Austausch zwischen Bundeskanzleramt, BND und dem Auswärtigen Amt.

Der BND war genauso gut informiert wie die CIA.

Roderich Kiesewetter (CDU), Außenpolitiker und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags

„Der BND wird dem Parlamentarischen Kontrollgremium einiges zu erklären haben, vor allem, warum er von den Plänen Prigoschins tatsächlich oder angeblich nichts gewusst hat“, sagte der Linken-Abgeordnete André Hahn. Das PKGr-Mitglied stellte die Weiterexistenz des Auslandsgeheimdienstes infrage. „Einen Nachrichtendienst, der von derart gravierenden Vorgängen keine Kenntnis erlangt, braucht niemand“, sagte er.

Der Unmut beschränkt sich nicht nur auf die Opposition. Auch Außen- und Sicherheitspolitiker der Ampelkoalition äußerten sich verärgert darüber, dass große Teile der Bundesregierung von den Entwicklungen offensichtlich überrascht wurden. „Es ist nicht zu fassen“, sagte ein Mitglied des PKGr dem Tagesspiegel.

Der Ärger ist umso größer, als US-Geheimdienste offenbar bereits im Vorfeld Hinweise auf Pläne des russischen Söldnerführers hatten, einen Aufstand gegen die Militärführung in Moskau anzuzetteln. Geheimdienstvertreter hätten bereits einen Tag vor Beginn des Aufstands das Weiße Haus, das Verteidigungsministerium und den Kongress über die Möglichkeit von Unruhen in Russland informiert, berichteten die „Washington Post“ und die „New York Times“.

Erste Hinweise auf ein geplantes Vorgehen Prigoschins und seiner Söldnertruppe Wagner gegen die Militärführung hatten die Geheimdienste der „Washington Post“ zufolge bereits Mitte Juni.

In den Bundestagsgremien wird deshalb auch zu klären sein, ob die US-Dienste die Informationen ihrem deutschen Partner vorenthielten. „Der BND war genauso gut informiert wie die CIA“, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, der PKGr-Mitglied ist, in der ARD-Sendung „Anne Will“ zu diesem Thema. Die Kampfansage Prigoschins an Moskau sei auch im Sicherheitskabinett des BND häufig thematisiert worden.

In der Bundesregierung und im Auswärtigen Amt gingen hochrangige Experten nach Informationen des Tagesspiegels aber noch am Freitag davon aus, dass Prigoschin von Präsident Wladimir Putin geschützt werde, und hatten offenbar noch keine Hinweise auf den Putsch. Am Freitagabend informierte der BND laut „Spiegel“ das Kanzleramt.

Andere, wesentliche Ressorts der Bundesregierung wurden vom BND laut „Spiegel“ am Samstagvormittag über dessen Erkenntnisse zum Aufstand der Söldnertruppe Wagner in Kenntnis gesetzt. Das Magazin korrigierte damit eine frühere Darstellung, wonach es vor Samstag keine Unterrichtung durch den BND gegeben habe. Die Ampelkoalition sieht in allgemeiner Form selbst Nachholbedarf bei dem Thema. In ihrer kürzlich vorgestellten Nationalen Sicherheitsstrategie versprach sie, die „Analysefähigkeit unserer Nachrichtendienste“ zu steigern.

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