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Kürzungswünsche. Berlin und London wollen weniger Geld für den EU-Etat ausgeben, als die Kommission fordert.

© picture alliance / dpa

EU: Der Billionen-Euro-Poker

Ab Donnerstag wird in Brüssel über den EU-Haushaltsrahmen für die Zeit von 2014 bis 2020 verhandelt – es droht ein Veto Großbritanniens.

Es könnte ein Gipfel der Superlative werden. Lange Verhandlungsnächte ist man in Brüssel zwar schon gewohnt, aber diesmal könnte sich das Feilschen unter den 27 EU-Staaten gleich über mehrere Tage hinziehen. Ausnahmsweise geht es nicht um die Euro-Rettung, wenn sich die Staats- und Regierungschefs am kommenden Donnerstag treffen. Aber auch beim bevorstehenden EU-Treffen dreht sich alles um die Finanzen – nämlich um die Frage, wie viel Geld der EU für ihren gemeinsamen Haushalt zwischen 2014 und 2020 zur Verfügung steht.

Falls sich im Ringen um den Billionen- Haushalt für die kommende Finanzperiode die Möglichkeit einer Einigung abzeichnet, kann sich der Gipfel gut und gerne bis Sonntag hinziehen, heißt es in Brüssel. Alternativ ist auch ein frühes Scheitern des Gipfels möglich: Falls am Freitagmorgen nach einer Verhandlungsnacht die Positionen zwischen Nehmer- und Geberländern in dem Milliarden-Poker immer noch himmelweit auseinanderliegen, dürften es sich die Gipfelteilnehmer dreimal überlegen, ob sich ein Weitermachen lohnt.

Ob der Gipfel platzt, hängt aber nur in zweiter Linie von dem traditionellen Konflikt zwischen Nettozahlern wie Deutschland und Nehmerländern wie Polen ab. Vor allem dürften sich in Brüssel alle Augen auf David Cameron richten. Der britische Premier hat sein Veto gegen eine Erhöhung des EU-Haushalts angekündigt, in den auch Großbritannien mehr einzahlt, als es herausbekommt. Das Unterhaus hat in einer Abstimmung eine Kürzung des Haushalts verlangt. Auch der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Ed Miliband, kritisierte am Wochenende, dass der EU-Etat eher für die 1950er Jahre als für das 21. Jahrhundert geeignet sei. Bei den letzten Verhandlungen über den gegenwärtigen EU-Haushaltsrahmen hatte der damalige Premier Tony Blair vor sieben Jahren einen Teil des milliardenschweren Briten-Rabatts aufgegeben und dafür von den EU-Partnern das Versprechen bekommen, dass es künftig zu Reformen in der Struktur des EU-Haushalts kommen solle. Doch das damals versprochene Abschmelzen der Agrarförderung zugunsten von Wissenschaft und Forschung hat nach britischer Auffassung kaum begonnen.

Londons Bürgermeister Boris Johnson, eine wichtige Stimme bei den konservativen Tories, erhöhte am Montag in seiner Kolumne in der Zeitung „Daily Telegraph“ den Druck noch weiter. Er empörte sich darüber, dass pro Jahr rund fünf Milliarden Euro aus dem EU-Etat durch Betrug und Schlendrian fehlerhaft verwendet würden und bezog sich dabei auf den Europäischen Rechnungshof. Johnsons Schlussfolgerung: Wer der EU mehr Geld geben wolle, der wolle „einen Süchtigen mit Heroin“ versorgen.

Derartige Appelle dürften Cameron vor dem Gipfel auch in den nächsten Tagen begleiten. Sollte das Brüsseler Treffen dann tatsächlich am Veto Camerons scheitern, wird nach einem Bericht der „Financial Times“ unter EU-Beamten und Diplomaten mehrerer Mitgliedsländer bereits die Möglichkeit erwogen, den EU-Haushalt ab 2014 einfach ohne London zu beschließen. Dies wäre möglich, wenn der Etat jedes Jahr neu von den EU-Mitgliedern beschlossen würde; in diesem Fall reicht – anders als beim gesamten Finanzrahmen – ein Mehrheitsbeschluss.

Um die drohende Isolation zu verhindern, sprach Cameron in den letzten Tagen mit seinen Amtskollegen in Frankreich, Deutschland, Polen, Schweden, Dänemark und den Niederlanden. Dabei steht der Premier mit seinem Wunsch noch nicht einmal allein da, die von der EU-Kommission angepeilte Erhöhung des Budgets zu verhindern. Auch die Bundesregierung hat Kürzungswünsche, auch wenn sie nicht so radikal ausfallen wie im Fall Londons: Berlin verlangt, dass in der kommenden Haushaltsperiode mindestens 100 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden, als von der Kommission gewünscht. Während die Brüsseler Behörde einen Haushalt in Höhe von 1,03 Billionen Euro vorschlug, würde man mit dem Berliner Ansatz unter der Billionen-Euro-Grenze landen.

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