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Rammstein-Frontmann Till Lindemann in Aktion.

© IMAGO/Gonzales Photo/IMAGO/Gonzales Photo/Sebastian Dammark

Der Fall Lindemann: Ein abschließendes Urteil ist ausgeschlossen

Till Lindemann versucht, mit vielen Klagen vor Gericht die Vorwürfe gegen ihn aus der Welt zu schaffen. Ein Vorhaben, das nicht gelingen kann.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Das Landgericht Frankfurt hat ein bemerkenswertes Urteil im Fall des Rammstein-Sängers Till Lindemann gesprochen. Es erklärt eine frühe Berichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“ für zulässig, die dieser untersagen lassen wollte (Az.: 2-03 O 306/23). Till Lindemann gilt als unschuldig. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen sexueller Übergriffe wurde eingestellt. Er bestreitet, jemals gegen den Willen einer Frau zudringlich geworden zu sein.

Trotzdem durfte, musste berichtet werden. Das Gericht betont das öffentliche Interesse an dem Geschehen. Nicht an dem Geschehen, wie es bei vielen im Vordergrund stand – den Gewalt-Vorwürfen –, sondern an Lindemanns frivolem Casting-System. Dieser Mann nutzte seinen Ruhm-Status aus, um sich das zu erfüllen, was er selbst als „Knabentraum“ bezeichnet hat. Man wird ihm nicht zu nahe treten, wenn man ihm unterstellt, dabei mit der vielförmigen Unterlegenheit der ihm zugeführten Frauen kalkuliert zu haben.

Sex kann politisch sein – wie hier

Darüber war und ist zu diskutieren. Zumal, da der Sänger seine pornografische Ambition zur Gedicht- und Bühnenkunst erhob. Irritierend der Versuch von Lindemanns Anwalt, dessen Sexleben zur geschützten Intimzone zu erklären. Das Gegenteil ist der Fall.

Sex kann – wie hier – politisch sein. Es müsse unterlassen, verhindert, verboten oder bestraft werden, was Lindemann tat, meinen manche. Warum?, fragen andere. Wenn Erwachsene sich zum Sex verabreden, ist es egal, wo er stattfindet und wie, solange es einvernehmlich geschieht und sich niemand gestört fühlt; wollen wir die betroffenen Frauen etwa für unmündig erklären? Im Kern geht es um sittliche Normen. Der Fall Lindemann fordert sie heraus.

Deshalb weist das Frankfurter Urteil in die richtige Richtung. Es liefert keine Wahrheit, schon gar nicht zu Fragen individueller Schuld. Es engagiert sich für die Möglichkeit, ein Verhalten an die Öffentlichkeit zu bringen, das als Fehlverhalten betrachtet werden kann – aber nicht muss.

Mehr ist von dieser Art juristischer Aufarbeitung nicht zu erwarten. Das Urteil ist auch nur eines von vielen, die rund um den Fall gefällt wurden und noch werden. Der Mann macht weiter erfolgreich Musik und Show und darf so tun, als wäre nichts gewesen. Während andere dies für unerträglich halten. Das ist Freiheit. Man muss sie aushalten können.

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