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CSU-Chef Markus Söder beim politischen Frühschoppen Gillamoos zusammen mit CDU-Chef Friedrich Merz.

© dpa/Sven Hoppe

Was ist bloß in Bayern los?: Der CSU geht der Saft aus

Die Christdemokraten waren mal stolz auf ihre vereinende Kraft im Freistaat. Rechts von ihnen durfte es laut Franz-Josef Strauß nichts geben. Doch davon ist nicht viel geblieben. Das hat Folgen.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Das immerhin können die Bayern: Gegensätze vereinen. Ganz viel Tradition von den Alpen bis zum Main, aber auch viel Modernität in Wirtschaft und Industrie. Sie lieben ihre Heimat, sind aber grundsätzlich Fremden gegenüber herzlich. Und, auch wenn Friedrich Merz das nicht so gerne hört und CSU-Chef Markus Söder damit zumindest nicht offen werben würde: Ein bisschen Kreuzberg steckt selbst in Bayern. Denn der Bayer an sich kann Royalist und Revoluzzer zugleich sein.

Die CSU war lange sehr stolz darauf, diese Gegensätze politisch zu vereinen – daraus wurde am Ende eine echte bayerische Volkspartei. Und die ließ, getreu Franz-Josef Strauss, vor allem rechts von sich keinen Platz für andere Parteien. Diese Kraft ist der CSU verloren gegangen.

Sie kommt in aktuellen Umfragen noch auf 36 Prozent (Forschungsgruppe Wahlen). Es wäre das historisch schlechteste Ergebnis seit 70 Jahren. Vor allem ist neben der CSU mittlerweile sehr viel Platz, der auch genutzt wird von anderen Parteien.

AfD und Freie Wähler sammeln zusammen mittlerweile fast 30 Prozent der Stimmen ein – zumindest laut den aktuellen Umfragen. Das sind ähnliche Werte, wie sie die AfD in Teilen Ostdeutschlands hat.

Gleichsetzen kann man die beiden Parteien nicht. Aber ihr Erfolg beruht auf ähnlichen Faktoren: Es geht gegen „die da oben“, gegen das Establishment, dem zumindest die Freien Wähler in Bayern längst selbst angehören. Es geht aber auch um die Ablehnung von allzu viel gesellschaftspolitischem Fortschritt. Bei der AfD ganz grundsätzlich und bei den Freien Wählern zumindest weitgehend.

Nur unterscheiden sich beide Parteien auch. Die AfD ist in Teilen rechtsextrem, mindestens klar rechts. Sie holt mittlerweile auch in Bayern diejenigen ab, die sich gänzlich absagen vom politischen System, denen auch ein bürgerlicher Kurs schon zu „links“ ist. Und sie holt die ab, für die es bei der Landtagswahl gar nicht um Bayern geht, sondern um einen Denkzettel für Berlin. Aus bayerischer Sicht geradezu anti-patriotisch.

Die Freien Wähler wiederum sind sicher keine Linken. Ihr Ansatz ist eher eine Politik von unten, aus den Kommunen, sehr pragmatisch, bodenständig, konservativ. Das schließt einen rechten Hallraum nicht aus. Sichtbar geworden ist das in der Flugblatt-Affäre um ihren Vorsitzenden Hubert Aiwanger.

In ihrer Wählerschaft gilt ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten, ganz gleich, ob es Aiwanger verfasst hat oder sein Bruder, eben in erster Linie als Jugendsünde – und nicht als antisemitische Entgleisung.

Aiwanger selbst stilisiert sich als Opfer jahrelanger Kampagnen gegen ihn. Die Angriffe sieht er aber nicht nur von links, sondern auch aus dem CSU-Lager.

Insofern sind die Freien Wähler nicht klar zu verorten. AfD wie Freie Wähler fischen auch stark im linken Lager, was man insbesondere an den Umfragewerten von SPD und Linken sieht – in Bayern wie in Teilen Ostdeutschlands.

Die Bayern sind also ein Stück angekommen in der neuen politischen Realität. Dort, wo es die vereinende Klammer einer Volkspartei nicht mehr gibt. So sehr sich Markus Söder auch anstrengt, so robust er auftritt und von Bierzelt zu Bierzelt marschiert: Die CSU ist kein Kraftprotz mehr, hinter dem sich Bayern versammelt. Auch, weil die gesellschaftlichen Fliehkräfte von links und rechts zu sehr an der CSU zerren.

Das hat Auswirkungen auf den Bund. Zwar wird Markus Söder wohl Ministerpräsident von Bayern bleiben. Und das wohl mit den Freien Wählern, weil Grüne und CSU in Bayern zu weit voneinander entfernt sind und ihre Spitzen sich nicht vertragen. Aber als Bollwerk gegen rechts wird sich Söder nicht mehr inszenieren können.

Außerdem verheilt seine Wunde der Nicht-Nominierung als Kanzlerkandidat 2021 nur langsam. Kategorisch schließt er im Moment einen erneuten Versuch aus, ins Rennen ums Kanzleramt zu gehen. Die Betonung liegt bei Markus Söder jedoch immer auf „im Moment“. Trotzdem: Offensichtlich fehlt es seiner CSU einfach an Kraft, das bei der CDU durchzusetzen.

Für CDU-Chef Friedrich Merz ist das noch lange keine gute Nachricht. Denn selbst wenn Markus Söder keine eigenen Ambitionen geltend machen sollte, wird der als Strippenzieher fungieren – und mutmaßlich nicht für Merz. So viel Kraft hat die CSU allemal noch.

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