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Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und Vizekanzler (SPD) mit Angela Merkel, Bundeskanzlerin (CDU)

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Ein Jahr Schwarz-Rot: Die Groko ist besser als ihr Ruf

Am 14. März 2018 nahm die große Koalition unter Kanzlerin Merkel ihre Arbeit auf. Wie ist die bisherige Bilanz? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ein Jahr kann eine Ewigkeit sein. Jedenfalls dann, wenn es andauernd zu Streit kommt. Und, ist es so bei der großen Koalition, Groko genannt? Streitet sie sich nur und schafft nichts? Weit gefehlt. Sie ist besser als ihr Ruf. Oder in Anlehnung an ihren großen Streitfall zu Beginn: Das Negative hält sich in Ma(a)ßen.

Von den 140 Vorhaben sind – nach einem Jahr (!) – nur 40 noch nicht in Arbeit. Darunter sind auch solche Sachen wie mehr freier Eintritt in Museen, die der Bund bezuschusst. Aber der Rest, der wird durchgeackert – und 40 Projekte sind bereits fertig. Erledigt.

Beispielsweise: Die Mütterrente wurde ausgebaut, das Recht auf Familiennachzug für Flüchtlinge dauerhaft eingeschränkt, die Mietpreisbremse verschärft. Arbeitgeber zahlen genauso viel für die Krankenversicherung wie Arbeitnehmer, die Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit ist geltendes Recht. Mehr getan wird für Pflegepersonal in Krankenhäusern und Heimen, für Kinderbetreuung, für das Bau-Kindergeld. Hier wird viel Geld gegeben.

Um die Flüchtlingspolitik ist es ruhig geworden

Ja, richtig, gestritten wird auch. Also die Grundrente, die der SPD besonders wichtig ist – die ist noch längst nicht durch. Das Zuwanderungsgesetz wird auch noch zu Debatten führen. Wie das Klimaschutzgesetz, mit dem Umweltministerin Svenja Schulze die Union piesackt, weil sie will, dass die Ressorts Wohnen und Verkehr, Wirtschaft und Landwirtschaft einen Beitrag leisten.

Nur die Flüchtlingspolitik führt gerade nicht zu großem Krach; denn die Zahl der Ankünfte von Asylbewerbern in Deutschland geht zurück. Da ist es nicht so schlimm, dass es an Ankerzentren erst eines gibt, in Bayern – als Modell. Und dass es mit Zurückweisungen an der bayerisch-österreichischen Grenze auch nicht weit her ist.

Es ist die klassische Koalitionsarbeit

Bewegung bei großen Themen gibt es zurzeit ebenfalls, und zwar exemplarisch beim Soli. Dessen Abschaffung ist für die meisten Steuerzahler, für 90 Prozent, im ersten Schritt ab 2021 vorgesehen. Da hat die SPD ihrem Partner Union aber jetzt signalisiert, dass es auch früher losgehen könnte. Weil die Genossen auch noch etwas wollen? Ja, genau, Einschränkungen für befristete Arbeitsverträge. Will heißen: Der Handel kann beginnen!

Klassisch Koalition eben. Und wenn es zu Zank kommt? Geht es um die Sache, gilt der Satz des legendären Christdemokrat Heiner Geißler: Politik ist kein Gesangverein Harmonie. Sie lebt von der Unterscheidbarkeit der Parteien und daher durchaus vom Widerspruch. Geißler wiederum war ein Grund, warum Annegret Kramp-Karrenbauer, heute Kanzlerin in spe, in die CDU eingetreten ist.

Merkel kann noch Verdienstvolles leisten

Apropos Kanzlerin: Sie heißt immer noch Angela Merkel. Und die sollte jetzt nicht versuchen, sich so einfach aus dem Amt wegzudiffundieren. Oder so zu tun, als hätte sie mit der Politik nichts zu tun, vom Klima bis zum Paritätsgesetz, der Frauenförderung. Es ist ihre Politik! Wer war denn Frauenministerin? Wer Umweltministerin? Wer 18 Jahre CDU-Vorsitzende? Wer ist 13 Jahre Kanzlerin? Misstrauensvoten gegen sich sind vor dem Hintergrund, na ja, skurril.

Im Gegenteil, wenn sie wirklich will, ist noch so einiges Verdienstvolles zu leisten. Es sind dann schließlich doch noch 40 Projekte, und nicht nur kleine, durchs Parlament zu bringen. Was bedeutet, dass die Koalition unter Leitung der Kanzlerin regieren muss und sich nicht aneinander abreagieren darf. Hier wartet eine wichtige Führungsaufgabe darauf, wahrgenommen zu werden. Die lässt sich nicht delegieren.

An ihrem Ruf könnte diese Regierung mal arbeiten

Wohl aber abwerfen, wenn die Aufgabe als Last empfunden wird. In der Krise gilt Hölderlin: Da findet das Rettende sich auch. Ob ein Jamaika-Bündnis kommt oder eine Vertrauensfrage bewusst verloren wird, damit es Neuwahlen gibt – nichts in der Politik ist für die Ewigkeit. Dieses Jahr durchzustehen, ohne dass es andauernd zu Streit kommt, damit wäre für Union, SPD und das Land schon was gewonnen. Denn die Koalition ist, von der Sache her gesehen, besser als ihr Ruf. An dem kann sie ja auch mal arbeiten.

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