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Kanzlerin Angela Merkel und der griechische Regierungschef Alexis Tsipras beim EU-Lateinamerika-Gipfel in der vergangenen Woche in Brüssel.

© dpa

Griechenland-Krise: Die Macht der Gipfelnacht

Der griechische Finanzminister Varoufakis beteuert, dass ganz schnell "in einer Nacht" eine Einigung im Schuldenstreit erreicht werden könne - sofern Kanzlerin Merkel dabei sei. Gelingt der Durchbruch erst beim EU-Gipfel am Monatsende?

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In der entscheidenden Phase des gegenwärtigen Kapitels im Griechenland-Drama geht es immer mehr darum, die Deutungshoheit zu bekommen. Wer hat recht – die griechische Regierung, die sinngemäß behauptet, dass die Gläubiger noch den letzten Rest aus dem rezessionsgeplagten Volk herauspressen wollten? Oder die Geldgeber, die sich auf den Standpunkt stellen, dass die Regierung des Syriza-Chefs Alexis Tsipras in wesentlichen Punkten bei den Reformverhandlungen einfach nichts liefert?
Diese Fragen stellten sich, nachdem EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Sonntagabend seinen jüngsten Vermittlungsversuch bei den festgefahrenen Verhandlungen in Brüssel abgebrochen hatte. Am Tag darauf ging die EU-Kommission nun in die Offensive. Die Kommissionssprecherin Annika Breidthardt erklärte, dass die in Athen verbreitete Behauptung, die Geldgeber wollten einzelne Rentenzahlungen kürzen, nicht zutreffend sei. Vielmehr gehe es bei den Vorschlägen der Gläubiger darum, das griechische Rentensystem zu reformieren, welches zu den teuersten in der EU gehöre. Als Beispiele für die Forderungen der Geldgeber nannte die Sprecherin ein späteres Renteneintrittsalter und eine Einschränkung bei den Frühverrentungen. Die Vorschläge der Institutionen der Geldgeber – neben der EU-Kommission sind das die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) – seien „fair und fortschrittlich“, betonte Breidthardt.

Tsipras will "geduldig abwarten", bis die Gläubiger ihm entgegenkommen

Ganz anders hörte sich das am Tag nach dem vorläufigen Scheitern der Brüsseler Verhandlungen in Athen an. Tsipras sagte der griechischen Zeitung „Ton Syntakton“, seine Regierung werde „geduldig abwarten, bis die Institutionen auf eine realistische Position einschwenken“. Von weiteren Zugeständnissen der Athener Regierung war also am Montag nicht viel zu hören – sieht man einmal davon ab, dass Tsipras nach den Angaben der EU-Kommission inzwischen auf die Forderung der Geldgeber eingegangen ist, 2015 einen Primärüberschuss im Etat von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erreichen. Allerdings hatte sich dies bereits am Wochenende bei den Verhandlungen in Brüssel abgezeichnet.

Weiterhin klafft zwischen den Forderungen der Geldgeber und den Angeboten der Regierung in Athen laut EU-Kommission immer noch eine Lücke von zwei Milliarden Euro pro Jahr. Dass die griechische Regierung vor einer möglichen Einigung auf Zeit spielt, ließ sich indes an einer Äußerung von Yanis Varoufakis ablesen. Der griechische Finanzminister beteuerte in der „Bild“-Zeitung, dass eine Einigung „in einer Nacht“ erreicht werden könnte. „Aber: Die Kanzlerin muss dabei sein.“ Der Hintergrund: Die griechische Regierung verlangt seit Längerem, dass in der Schuldenkrise eine „politische Lösung“ gefunden werden müsse – sprich unter Beteiligung Merkels und Tsipras’.

EU-Kommissionssprecher Schinas: Die einzige Frist ist der 30. Juni

Eine Gelegenheit, den gordischen Knoten in den Verhandlungen zu zerschlagen, würde sich beim nächsten EU-Gipfel in Brüssel am 25. und 26. Juni bieten. Dies wäre eine Einigung auf den letzten Metern, denn Ende des Monats läuft das gegenwärtige Griechenland-Programm mitsamt der letzten Hilfstranche über 7,2 Milliarden Euro aus. Gleichzeitig deutete EU-Kommissionssprecher Margaritis Schinas aber an, dass eine späte Einigung nicht auszuschließen ist: „Die einzige Frist, die wir jetzt haben, ist der 30. Juni.“ Je näher der Zeitpunkt der Entscheidung rückt, umso schärfer wird auch unter Unionsleuten der Ton. In Berlin sagte Fraktionschef Volker Kauder, man lasse sich nicht erpressen. Und in Brüssel verlangte Digitalkommissar Günther Oettinger, dass man für den Fall einer griechischen Pleite einen Notfallplan für den Energiesektor und die medizinische Versorgung in Hellas benötige.

Die SPD schlägt ähnlich scharfe Töne an. Die griechische Regierung verhalte sich unverantwortlich, sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Deutschland und der Rest Europas dürften sich nicht erpressen lassen, sagte sie. Ein Euro-Austritt könne unvorhersehbare Folgen für Europa nach sich ziehen. Es bestehe die Gefahr, dass es „eine Art Schubumkehr“ der europäischen Integration geben könne, warnte Fahimi. Gleichlautende Warnungen von Parteichef Sigmar Gabriel habe das Präsidium einhellig unterstützt.

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