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Der Mann vor dem roten Hintergrund befeuert Spekulationen über eine Regierung mit FDP und Grünen: Olaf Scholz am Tag nach der Landtagswahl.

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Die SPD und die Ampel: „Das ist das Geheimnis dieser Bundestagswahl“

Die Landtagswahlen haben der SPD eine neue Machtoption eröffnet – die Ampel. Viele Genossen halten Abstand zur FDP. Aber keiner fährt Olaf Scholz in die Parade.

Von Hans Monath

Die neue Machtoption im Bund belebt die SPD, wie schon am Wahlabend zu spüren war: Nachdem die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz bestätigt war und dieses Regierungsbündnis auch in Baden-Württemberg möglich ist, wurde Kanzlerkandidat Olaf Scholz nicht müde, das Signal der Wahlen für den Bund herauszustreichen. Dass nämlich eine Regierung ohne die Union in Deutschland möglich sei. Und viele in seiner Partei feierten den Abend deshalb.

Nur eines tat der Vizekanzler nicht – das Modell der Ampelkoalition inhaltlich zu loben oder gar hervorzuheben gegenüber einer rot-rot-grünen Koalition, auf die die beiden Parteichefs der SPD bislang hingearbeitet hatten.

Als Moderatorin Anne Will ihn am Sonntagabend in der ARD nach seiner Bewertung der Ampel fragte, antwortete Scholz nur in Andeutungen. „Die SPD hat sich festgelegt auf den Kanzlerkandidaten“, sagte er: „Das ist eine sehr klare Positionierung.“

Auch auf der Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus am Montag mit den Spitzenkandidaten Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz) und Andreas Stoch (Baden-Württemberg) sagte Scholz zur Frage, ob nicht eine Ampel besser zu ihm passe als ein Linksbündnis: „Das ist das Geheimnis dieser Bundestagswahl. Man kann nicht taktisch wählen, sondern muss sich entscheiden.“ Mehr war ihm nicht zu entlocken. 

Dabei legen der politische Lebensweg und das politische Profil des Hanseaten nahe, dass er ein Bündnis mit Grünen und FDP einem mit Grünen und Linkspartei vorziehen würde, wenn er sich nicht taktisch verhalten wollte.

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Denn Wirtschaftsnähe und Nato-Bündnistreue, beides Markenzeichen von Scholz, gehören nicht zur Kernkompetenz der Linkspartei. Dazu kommt: Die Ampel ruft anders als „R2G“ oder „GR2“ (ein Linksbündnis unter Führung der Grünen) in der Mitte der Gesellschaft keine Abwehrreaktionen hervor, die Aussicht auf sie dürfte weniger Wähler verschrecken als die Erwartung, demnächst von Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler regiert zu werden.

So groß ist der Abstand zur SPD: Auch FDP-Chef Christian Lindner hat Interesse daran, dass die Ampel-Koalition im Bund eine Möglichkeit bleibt.
So groß ist der Abstand zur SPD: Auch FDP-Chef Christian Lindner hat Interesse daran, dass die Ampel-Koalition im Bund eine Möglichkeit bleibt.

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Doch solche Abwägungen vermied Scholz am Wahlabend und am Tag danach. Er weiß: Die Ampel ruft nicht in allen Teilen seiner Partei Begeisterung hervor, viele Sozialdemokraten halten es mit den Parteichefs und favorisieren Rot-Rot-Grün. Würde der Kandidat sich klar positionieren, könnte er Streit in der SPD provozieren – in einer Partei, die sich in den vergangenen Monaten ungewöhnlich geschlossen gezeigt hatte, wenn man vom Konflikt der Parteichefin Saskia Esken und des Parteivizes Kevin Kühnert mit Wolfgang Thierse um Identitätspolitik absieht.

Die Sympathien für die Ampel sind im Kosmos der SPD klar verteilt: Das pragmatische Netzwerk Berlin, der konservative Seeheimer Kreis und auch das Wirtschaftsforum begrüßten die neue Machtchance auch wegen ihrer inhaltlichen Ausrichtung. Die Linke dagegen ist skeptisch, favorisiert Rot-Rot-Grün.

"Ich halte eine Ampel auch im Bund für eine gute und spannende Koalition, weil sie Innovation, soziale Gerechtigkeit und die Menschheitsfrage Klimaschutz zusammenbringt“, sagte Netzwerk-Sprecher Falko Mohrs dem Tagesspiegel. Er fügte hinzu: „Deshalb schließen wir ein Linksbündnis nicht aus. Es wäre ein Fortschritt, wenn im Herbst für die SPD zwei Regierungskonstellationen möglich würden.“

Soll die SPD lieber mit der Linken-Vorsitzenden Janine Wissler koalieren oder mit FDP-Chef Christian Lindner? Olaf Scholz legt sich nicht fest.
Soll die SPD lieber mit der Linken-Vorsitzenden Janine Wissler koalieren oder mit FDP-Chef Christian Lindner? Olaf Scholz legt sich nicht fest.

© imago images/Fotostand

Die Seeheimer sehen das ähnlich, gehen aber auf Distanz zum Linksbündnis. Ihre Sprecherin Siemtje Möller hatte die Ampel in dieser Zeitung schon vor dem Wahltag als „eine spannende Koalitionsoption auch für den Bund“ bezeichnet und erklärt: „Eine weitere Koalitionsoption kann der SPD nur helfen, denn die Linkspartei hat sich mit ihrem Parteitag für Rot-Rot-Grün aus dem Spiel genommen. Sie ist nicht regierungsfähig."

Die Ampel gegen Rot-Rot-Grün ausspielen - das will Scholz nicht

Glaubt man ihrem Sprecher Michael Miersch, dann sperrt sich auch die Parlamentarische Linke (PL) nicht gegen die Aussicht auf eine Regierung mit Liberalen und Grünen, auch wenn sie bislang alles versucht hat, Rot-Rot-Grün in die Spur zu bringen. „Am Ende werden inhaltliche Schnittmengen entscheidend sein und keine Farbenlehre“, sagte Miersch dieser Zeitung. Der Wahltag habe gezeigt, dass Mehrheiten jenseits der Union möglich seien.

Wie der Kandidat vermied auch der Sprecher der Parteilinken im Bundestag, die beiden Koalitionsoptionen inhaltlich zu beurteilen und eine für besser als die andere zu erklären. Und noch etwas fiel auf nach der Landtagswahl: Selbst die neue Juso-Chefin Jessica Rosenthal warnte zumindest öffentlich nicht vor einer Zusammenarbeit mit der gern als „neoliberal“ geschmähten FDP und verzichtete damit darauf, in der SPD einen Koalitionsstreit in der SPD anzuzetteln.

Womöglich wirkt die Aussicht auf mehr Wählerzuspruch und der Rückenwind, den der Kandidat verspürt, doch disziplinierend auf seine Partei. Wer Olaf Scholz kennt, kann ahnen: Seinen Kurs der Nicht-Festlegung wird er stoisch durchhalten und noch tausend weitere Fragen dazu ausweichend beantworten. Zumindest solange er sich Vorteile davon verspricht.

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