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Geflüchtete sind auf einer Straße unterwegs.

© dpa/Julian Stratenschulte

„Diskurs der Ausgrenzung mit befeuert“: Sozialdemokraten kritisieren Asylpolitik der Ampel

In der SPD tobt die Debatte über Einwanderung und Asylrecht. Der Grüne Cem Özdemir fordert derweil eine klare Trennung von Arbeitsmigranten und Schutzsuchenden.

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Der Text liest sich wie eine Anklage. „Mit Trauer, Wut und Entsetzen“ stelle man fest, wie führende Sozialdemokraten „einen Diskurs der Ausgrenzung und Stigmatisierung mit befeuert haben“, etwa in dem „Zurückweisungen an den Grenzen vorangetrieben und grenznahe Inhaftierungen …“. So heißt es in einem offenen Brief von Sozialdemokraten an die „eigenen Genossen“ in Kabinett, Bundestag und SPD-Zentrale.

Mit Blick auf den Attentäter von Solingen schreiben sie: „Eine ganze Menschengruppe wird mit dieser Politik für die Tat eines Einzelnen pauschal unter Terrorismusverdacht gestellt und in ihren Rechten substanziell eingeschränkt.“ Der Text war vor der Messer-Attacke eines 41-jährigen Syrers am Samstag in Essen erschienen.

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Initiiert haben den Aufruf „Eintreten für Würde“ unter anderem der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer und Gesine Schwan, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission.

SPD-Abgeordnete: Regierungspläne nicht mit Grundgesetz vereinbar

Sie gehen hart mit den jüngst geplanten Maßnahmen der Ampel-Koalition in Reaktion auf das tödliche IS-Messer-Attentat von Solingen ins Gericht: „Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Kürzung der Sozialleistungen unter das Existenzminimum und Hinderung der Einreise entmenschlichen Asylsuchende.“ Sie seien nicht mit dem europäischen Gedanken, dem europäischen Recht und dem Grundgesetz vereinbar, heißt es in dem Brief.

Die von der Regierung Scholz geplanten Maßnahmen seien „nicht nur ineffektive Scheinlösungen gegen islamistischen Terrorismus, sondern sie legitimieren rechtspopulistische und rechtsextreme Narrative gegen Geflüchtete“. Sie verstärkten „einen migrationsfeindlichen, rassistischen Diskurs von rechts“.

Wachsender Druck auf die SPD-Spitze

Inzwischen haben zehn der 207 SPD-Abgeordneten den Brief unterzeichnet, nach Angaben der Initiatoren sind das: Mathias Stein, Helmut Kleebank, Axel Echeverria, Fabian Funke, Frank Junge, Anna Kassautzki, Daniela De Ridder, Nadja Sthamer, Dirk-Ulrich Mende und Annika Klose. Auch wenn die Ampel-Koalition im Bundestag eine komfortable Mehrheit hat, erhöht die interne Kritik den Druck auf Kanzler Olaf Scholz sowie die Partei- und Fraktionsspitze.

Dabei werden innerhalb der SPD-Fraktion gegensätzliche Stimmen laut. „Deutschland sollte präziser, deutlicher und selbstbewusster als bisher formulieren, wer bei uns Schutz bekommen kann und wen wir als Arbeitskraft gebrauchen“, sagte etwa der SPD-Abgeordnete Axel Schäfer dem Tagesspiegel. Wer wirklich politisch oder religiös verfolgt sei, habe Chancen mit seinem Asylgesuch. „Und wir brauchen Menschen, die gute Ideen haben und anpacken wollen.“

Wir hatten zu oft Hemmungen, Frau Merkel zu kritisieren, hatten als SPD die Sorge, als müssten wir die Union rechts und links gleichzeitig überholen.

Axel Schäfer, SPD-Bundestagsabgeordneter

Schäfer, der dem linken Flügel der SPD-Fraktion angehört, fordert eine „Aufarbeitung“ der Flüchtlingspolitik unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Rolle ihres damaligen Juniorpartners, der SPD. „In der Flüchtlingspolitik der Ära Merkel sind unsere Interessen etwas verschwommen, auch die SPD muss diese Zeit selbstkritisch aufarbeiten“, sagte Schäfer: „Wir hatten zu oft Hemmungen, Frau Merkel zu kritisieren, hatten als SPD die Sorge, als müssten wir die Union rechts und links gleichzeitig überholen.“

Schäfer forderte seine Partei auf, sich an dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck zu orientieren. „Klugerweise“, sagte Schäfer, habe Gauck 2015 zur Flüchtlingspolitik erklärt: „Unser Herz ist groß, aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“ 

Bei den Grünen sprach sich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir für eine klare Differenzierung bei der Migration aus. „Im Kern geht es um einen sehr einfachen Grundkonsens: Wir müssen eine klare Grenze ziehen zwischen denen, die uns brauchen (Asylpolitik), und Menschen, die wir brauchen (Fachkräftezuwanderung). Asyl und Arbeitsmigration müssen getrennt werden“, schrieb Özdemir in einem Gastbeitrag für die „FAZ“.

Für beides müsse Deutschland „die jeweiligen Spielregeln klarer definieren, mutiger vorantreiben und selbstbewusst vertreten“. Wer etwas Wertvolles beitragen könne und wolle, sei willkommen. „Wer nachweislich Schutz sucht, dem helfen wir. Für alle anderen haben wir keinen Platz“, schrieb er.

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