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Diskussion um Wulff: Der übelriechende Nachlass des Bundespräsidenten in Hannover

Niedersachsens Regierungschef David McAllister setzt sich so gut es geht von Bundespräsident Christian Wulff ab - obwohl der sein Ziehvater ist.

Von Robert Birnbaum

Das Dumme an einer Erbschaft ist, dass man sie nur komplett annehmen oder ganz ausschlagen kann. Das gilt juristisch, aber es gilt auch politisch, weshalb David McAllister an diesen Grundsatz des bürgerlichen Gesetzbuchs derzeit nur sehr ungern erinnert wird. Christian Wulff hat seinem langjährigen Kronprinzen beim überraschenden Wechsel ins Schloss Bellevue alles hinterlassen, was er in Niedersachsen zu vererben hatte, vom CDU-Vorsitz bis zum Amt des Ministerpräsidenten. Doch zeigt sich mittlerweile, dass der Nachlass auch allerlei Übelriechendes umfasste. Jetzt muss McAllister sehen, wie er sich das vom Halse hält.

Einfach wird das nicht, schon der Abläufe wegen. Wulffs fragwürdige Kredite und Gratis-Urlaube fielen meist in dessen Zeit als Landesvater. Deshalb hat der Landtag ein legitimes Interesse an Aufklärung. Vom Bundespräsidenten ist die nur schwer zu bekommen – die Immunität des Staatsoberhaupts geht so weit, dass selbst ein Untersuchungsausschuss ihn als Zeuge nur nicht-öffentlich in seiner Wohnung anhören dürfte. Also haben SPD und Grüne über hundert Fragen an den Rechtsnachfolger im Leineschloss formuliert. Vorige Woche im Rechtsausschuss hat die Landesregierung noch um Aufschub ersucht; diese Woche wird sie im Landtag Rede und Antwort stehen müssen, absehbar stundenlang.

Ob dabei viel herauskommt, ist eher zweifelhaft. McAllister und seine Leute bauen schon vor: Wulff habe bekanntlich vieles in Hannover in kleinem Kreis geregelt. Sein Staatskanzleichef Lothar Hagebölling ist mit ihm als Staatssekretär ins Präsidialamt gezogen, sein Sprecher und Alter Ego Olaf Glaeseker folgte ebenfalls nach Berlin. Glaeseker ist inzwischen nicht mehr im Amt und selbst Gegenstand staatsanwaltlicher Nachprüfung, ob er sich von dem Eventmanager Manfred Schmidt zu Urlaubsreisen einladen ließ. Sein Nachfolger in Hannover, Franz-Rainer Enste, fand über Glaesekers Kontakte mit Schmidt nur dürre Belege in den Akten. Entsprechend dürr werden die Auskünfte im Landtag ausfallen.

In Kiel fällt McAllister seinem Ziehvater in den Rücken.

Das mag verständlich sein; gut für McAllister ist es trotzdem nicht. SPD, Grüne und Linke sind schließlich weniger an einer Demontage Wulffs interessiert als an Blamage des Nachfolgers. In einem guten Jahr wird in Niedersachsen gewählt, eine Signalwahl im Aufgalopp zur Bundestagswahl. Die Chancen auf einen Machtwechsel stehen angesichts des Niedergangs der FDP auch zwischen Ems und Elbe nicht schlecht. Die Opposition dürfte noch weniger Skrupel haben als sonst, den Regierungschef anzugehen. Und dazu eignet sich naturgemäß sehr gut der Vorwurf, er mauere im Landtag, um den politischen Ziehvater zu decken.

Das erklärt, weshalb derzeit allenthalben ein David McAllister zu besichtigen ist, der sich vom einstigen Förderer so weit wie möglich absetzt. Er erläutert ungefragt, dass bei ihm jedes Mal die Beamten der Staatskanzlei prüften, ob ein Geschenk als unbedenkliche Kleinigkeit durchgeht. Man erfährt, dass der Mann aus dem Städtchen Bederkesa den Urlaub am liebsten im Strandkorb vor Cuxhaven verbringe, quasi fußläufig um die Ecke. Und als ihn Parteifreunde beim geselligen Abend in Kiel fragten, was bloß in den Wulff gefahren sei, berichtete McAllister schulterzuckend, wie der Ministerpräsident zu seiner zweiten Hochzeit mit seiner jetzigen Frau nicht die alten Parteifreunde eingeladen habe, sondern nur die neuen Kumpels aus der hannoverschen Geld- und Glamourszene.

Dass die Absetzbewegung nur begrenzt funktionieren kann, dürfte dem 41-Jährigen klar sein. Wulff hat ihn gefördert und aufgebaut, erst zum Generalsekretär und dann zum CDU-Landesvorsitzenden – ein ungewöhnlicher Schritt, den Wulff mit seinem grenzenlosen Vertrauen zu dem Jüngeren begründete. Der revanchierte sich dadurch, dass er als Parteichef nicht weiter auffiel und in politisch diffizilen Fragen – etwa, ob er sich dem kurzlebigen „Einstein-Pakt“ der Konservativen um Markus Söder und Stefan Mappus anschließen solle – den Älteren um Rat fragte. Der riet damals ab.

Man muss der Fairness halber allerdings auch sagen: Von bestimmten Zügen des Vorgängers hat sich McAllister immer schon distanziert. Von Hannoveraner Rotwein-Klüngelrunden hielt er sich gezielt fern, in die Berliner Politik mischte er sich nur sehr dosiert ein. Dass er dort öfter genannt wird, wenn die Rede auf die Zeit nach Angela Merkel kommt, ist ihm nicht recht. Der schlagfertige Jurist leidet nicht an Selbstunterschätzung. Aber sein Freund Philipp Rösler führt ihm gerade wieder vor, wie ungesund die Berliner Luft für Leute vom Lande sein kann. Und er weiß: Satisfaktionsfähig ist er frühestens nach der ersten selbst gewonnenen Wahl. Die will er sich jetzt nicht ausgerechnet von dem alten Förderer verhageln lassen.

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