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Der vergessene Konflikt. Bewohner von Hamouria nahe Damaskus fliehen nach Luftangriffen, die nach Angaben von Aktivisten von Truppen des syrischen Präsidenten Assad ausgingen.

© Reuters

Dissens zwischen USA und Türkei über Syrien: Darf Baschar al Assad an der Macht bleiben?

Die USA sehen den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al Assad offenbar nicht mehr als Voraussetzung für eine Friedenslösung in dem Land an. Die Türkei aber sehr wohl. Das belastet das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei.

Nach fast vier Jahren Bürgerkrieg in Syrien mit mehr als 200 000 Toten gerät ein Prinzip der westlichen Politik in dem Konflikt ins Wanken. Die USA bestehen laut Presseberichten nicht mehr auf einer Entmachtung von Präsident Baschar al Assad als Voraussetzung für eine Friedenslösung. Der Kurswechsel dürfte auf den entschiedenen Widerstand des Partners und Frontstaates Türkei treffen, der Assad als Erzfeind betrachtet. Dennoch mehren sich die Hinweise, dass die Amerikaner den syrischen Präsidenten zumindest vorerst schonen wollen – um sich auf den Kampf gegen die IS-Dschihadisten konzentrieren zu können.

Offiziell ist von einer Neuberwertung keine Rede. Auch die USA seien beim Ziel der Assad-Entmachtung weiter an Bord, sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu jetzt der britischen Zeitung „The Independent“. Selbst hinter verschlossenen Türen blieben die Amerikaner bei dieser Linie, sagte Davutoglu.

Dass Assad gehen muss, weil er seit März 2011 einen Krieg gegen das eigene Volk führt, gehörte bisher zu den westlichen Grundsätzen in Syrien. USA, Türkei und EU fordern einen Rücktritt des syrischen Präsidenten und die Bildung einer Übergangsregierung, um den Frieden im Land wieder herzustellen und den mehreren Millionen Flüchtlingen die Heimkehr zu ermöglichen. Die syrische Regierung, Russland und der Iran wehren sich gegen eine Ablösung Assads.

Lange standen sich beide Seite kompromisslos gegenüber. Doch die Erfolge des „Islamischen Staates“ (IS) und anderer radikaler Gruppen haben die Lage in den vergangenen Monaten verändert. Assad ist plötzlich das kleinere Übel. Vergeblich forderte die Türkei im Herbst die USA auf, nicht nur den IS in Nordsyrien anzugreifen, sondern auch Assads Regierungstruppen. Die „New York Times“ berichtete diese Woche, die USA seien über irakische Vermittler mit der syrischen Regierung in Kontakt, um Zwischenfälle bei Luftangriffen der USA in Syrien zu vermeiden. Die Botschaft an die Syrer laute, dass sich die US-Schläge nicht gegen Assads Truppen richteten, sondern gegen Stellungen des IS.

Bei Syrien-Gesprächen in Moskau soll es nicht um Assad gehen

US-Außenminister John Kerry bekundete zudem kürzlich seine Unterstützung für Syrien-Gespräche, die Ende Januar in Moskau geplant sind. Die Gespräche unter Schirmherrschaft des Assad-Verbündeten Russland sollen einem Meinungsaustausch zwischen Opposition und syrischer Regierung dienen. Es geht aber nicht um eine Ablösung Assads.

Amerikanische Unterstützung gibt es auch für Bemühungen von UN-Vermittler Staffan di Mistura, mit Hilfe lokaler Waffenruhen die Kämpfe in Syrien „einzufrieren“ und Opposition sowie Regierung an einen Tisch zu bringen. Auch dabei wird die Forderung nach einem Ende der Assad-Herrschaft erst einmal zurückgestellt.

Gemäßigte syrische Rebellen konnten Assads Truppen nicht besiegen

Für den Schwenk der USA gibt es zwei Gründe: Der erste liegt im Scheitern der gemäßigten syrischen Rebellen, die Assads Regierungstruppen auch in drei Jahren Krieg nicht besiegen konnten und jetzt selbst mehr und mehr in die Defensive geraten. Türkische Zeitungen zitierten diese Woche einen Offizier der gemäßigten Freien Syrischen Armee (FSA) mit den Worten, er werde den Dienst quittieren, weil die USA nun doch an Assad festhalten wollten.

Der zweite Grund für den Wechsel der amerikanischen Haltung ist das Erstarken des IS und der zu Al Qaida gehörenden Nusra-Front. Die radikalen Islamisten gelten – anders als Assad – als Gefahr für den Westen, weshalb ihre Bekämpfung aus Sicht der USA Vorrang hat. Washington hielt sich im Syrien-Konflikt lange Zeit sehr zurück und schickte erst Kampfjets, als der IS im vergangenen Sommer große Teile von Syrien und Irak eroberte.

Insbesondere für die Türkei, die sich Assads Entmachtung auf die Fahnen geschrieben hat, ist die neue Situation bedenklich. Davutoglu und Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisieren die westliche Weigerung, Assads Truppen anzugreifen, wollen aber auch nicht auf eigene Faust in Syrien intervenieren.

Mit den USA einigte sich Ankara zwar vor einiger Zeit auf die gemeinsame Ausbildung und Bewaffnung einer neuen gemäßigten Rebellentruppe, die als Nachfolgerin der demotivierten FSA antreten soll. Doch die beiden Partner sind uneins darüber, gegen wen die Truppe von insgesamt 15.000 Soldaten in Syrien eigentlich kämpfen soll. Die USA sträuben sich gegen den türkischen Vorschlag, die neue Rebelleneinheiten sowohl gegen den IS als auch gegen Assads Regierungstruppen in die Schlacht zu schicken.

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